Die Wozu-Kette
Nach einigen Computerfernen Tagen mit guten Büchern (dazu später mehr), Gesprächen (es ist so schön zu Hause zu sein) und Zeit zum Nachdenken beginnt hiermit eine kleine Serie zu einem großen Thema.
Als Mensch, der dazu neigt die Dinge vom Anfang zu ihren Konsequenzen zu denken bin ich über die Verunsicherung, was meine berufliche Zukunft angeht, zu immer tieferer Verunsicherung vorgedrungen, an deren Ende die Frage steht: Wozu will ich leben?!
Es ist nicht viel Phantasie nötig, um sich auszumalen, dass damit der komplette Themenkreis religiöser Gedanken aufgewirbelt ist.
Als ersten Schritt also wie im Titel angekündigt, Gedanken zur „Wozu-Kette“:
Wie ich schon früher in einem Buch von Viktor Frankl entdeckt habe, liegt schon im Wesen der Frage nach einem Sinn (oder „Zweck“) das außen: „Die Zweckkategorie ist insofern transzendent, als der Zweck jeweils außerhalb dessen liegt, das ihn ‚hat‘“.
Wenn wir nach dem „Wozu“ einer einzelnen Handlung (etwa: studieren, eine Prüfung bestehen) fragen, finden wir es in umfassenderen Absichten, Motiven, Plänen unseres Lebens (z.B. einen Abschluss machen, einen bestimmten Beruf ergreifen). Fragen wir weiter nach deren „Wozu“, gelangen wir zu großen, zentralen Themen (das sind dann etwa die Antworten auf die eingangs formulierte Frage „Wozu will ich leben?!“). Deren „Wozu“ wiederum führt schon auf weniger sicheren Grund. Die Antworten dürften hier noch individueller werden. Gemeinsam ist ihnen Eines: Sie zeigen über das Leben des einzelnen Menschen hinaus. Dieses „Wozu“ kann ein familiäres (Partner, Kinder) oder im weiteren Sinne soziales, gesellschaftliches sein. Schon jetzt wird klar: Es kann nicht ewig so weiter gehen.
In diesem Sinn möchte ich hier eine ungewöhnliche Definition vorschlagen: Gott ist, was kein „Wozu“ hat. Durch die Religion schleichen wir uns aus dem ins Unendliche treibenden Zwang der Wozu-Frage. Das nennt sich die „Unergründlichkeit Gottes“. Und die Frage, die bestimmt jeder sich gerne stellen würde, wird als Frechheit gegen Gottes Souveränität abgetan: Wozu ist Gott?
Mein Gedanke ist nun: Wenn wir von vorneherein wissen, dass die Wozu-Kette ein Ende nehmen muss, zumindest in unserem Denken — macht es dann überhaupt einen Unterschied, wie weit wir sie denken? Ist also „alles ist zu/für Gott, der für sich selbst (bzw. uns nicht zugänglichen Gründen) ist“ wirklich wesentlich verschieden von „alles ist zu/für sich selbst (bzw. uns nicht zugänglichen Gründen)“?
Ich meine nein, aber ich bin mir unsicher, was das für das konkrete Leben bedeutet. Denn: Die ganze philosophische „Wozu“-Fragerei ist ja keine Spielerei. Letzlich geht es darum, das konkrete Handeln irgendwo zu verankern, irgendwie begründen zu können. Idealerweise führt das zu einem entspannenden: „Weil Gott die Welt so und so will richte ich mein Leben nach diesem oder jenem aus. Um das zu erreichen muss ich mich so und so verhalten.“ Und los geht’s.
Wenn man nun aber so wie ich in jeder religiösen „Offenbarung“ zu deutlich Menschenwerk, menschliche Geschichte, Machtstreben, soziale Bedingtheit durchscheinen sieht — und also an kein „Gott will die Welt so und so“ glauben kann — woher nimmt man dann die großen Ziele, aus denen sich die kleinen von selbst ergeben?
Sonntag, 25. Februar 2007 9:22
Es ist ein Fehler, Sinn und Zweck einfach so gleich zu setzen. Zweck ist tatsächlich außen (und übergeordnet), Sinn ist innen (bzw. motivational).
Zum Beispiel ist der Zweck Deines Studiums und auch die Auswahl eines guten Studiums letztendlich eine Statuserhöhung und der damit erhöhte Fortpflanzungserfolg. Der Sinn ist sehr subjektiv und kann ohne Probleme post-hoc vergeben und geändert werden.
Genau hier holt Dich die Unterscheidung von Sinn und Zweck wieder ein. Du musst den Zweck Deiner Handlungen nicht wirklich begründen; er liegt die meiste Zeit jenseits unserer Wahrnehmungsrealität.
Den Sinn kannst Du begründen, allerdings gibt es außer der motivationalen Antriebsstärke kein objektives Kriterium, an dem sich die Qualität eines erfundenen Sinns messen ließe.
Soviel zur Theorie…
Als logische Konsequenz des vorher von mir gesagten ist die Lösung ganz einfach: Die Kausalkette ist anders herum. Man setzt sich kleine Ziele und verwirklicht sie in Handlungen, die großen Ziele sind dann eine Ableitung aus der eigenen Handlung.
Als Nebenbemerkung fallen mir nur die Untersuchungen zum Flow-Gefühl ein, die soziales Engagement als Weg zum Glücklichsein erkennen.
Sonntag, 25. Februar 2007 9:24
Uh, mach bitte die Zitate sichtbar in meinem obigen Kommentar. Danke!
Freitag, 2. März 2007 16:28
[quote comment=„50“]
Ich stimmte Dir zu, dass es unsauber war, Sinn und Zweck einfach gleichzusetzen. Ich würde sie allerdings keinesfalls als Gegensätze verstehen so wie Du das scheinbar tust.
Ich finde es in solchen Dingen oft wichtig, vom alltäglichen Sprachverständnis auszugehen. Und da meine ich, dass die Frage, „welchen Sinn macht das“ oft gleichbedeutend ist zu „wozu dient das“ und einen Außenbezug hat.
Philosophisch würde ich sagen, dass der Zweck ein möglicher Sinn ist, es aber auch einen „Innensinn“ geben kann. Allerdings finde ich, dass Deine Ansätze, den zu verorten, zu kurz greifen: „motivational“ hat ja gerade wieder einen Außenbezug?! Und wie willst Du den Sinn post-hoc „erfinden“?
Ich glaube, ich verstehe Dich nicht ganz. Wie willst Du den Sinn begründen? Und inwiefern das ganze dann an „motivationalen Antriebsstärken“ messen?
Und wie entstehen dann Deiner Theorie folgend diese kleinen Ziele?[/quote]