Beiträge vom September, 2008

Leben in der Uni-Karriere

Samstag, 27. September 2008 7:29

In den Rängen einer wissenschaftlichen Karriere aufzusteigen ist hart. Man verdient wenig, arbeitet viel, opfert seine Freizeit für Projekte, die wenig mit dem Herzensthema zu tun haben, weswegen man eigentlich in der Wissenschaft arbeiten wollte, und weiß nie, was das nächste Jahr bringen mag. Abgesehen davon hat man ständig irgendwelche administrativen und bürokratischen Widrigkeiten am Hals. Wie so oft ist eine Ausflucht aus widrigen Umständen in Satire, Witz und Humor zu finden.

Die Webseite Ph.D. Comics beweist durch die Qualität und Pointierheit derselben, dass sich in diesem Bereich aus unerfindlichen Gründen doch intelligente Menschen tummeln…

Hier ein längerer Comic, der bis auf den promotionsspezifischen Teil sehr genau meine Visumsbewerbung beschreibt:

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Stanford, ohoho

Freitag, 26. September 2008 9:13

Pünktlich zum Ende meines Praktikums (naja, zum Glück etwas früher) fängt hier in Stanford der Vorlesungsbetrieb wieder an. Und ich komme aus den muffigen VA-Gebäuden in die feine feine offene und grüne Atmosphäre des Stanford-Campuses, die mir bald eine eigene kleine Fotoserie wert sein wird.

Die erste erstaunliche Sache ist das Konzept uni-interner Dienstleistungen. Schon vorher hatte ich mit dem „Bio-Statistician Helpdesk“ Kontakt, der Biowissenschaftler bei der Datenanalyse unterstützt. Und jetzt: Eine eigene Institution, die Sozialwissenschaften methodisch fit machen und vernetzen soll. Wow!

Vor der Vorlesung wird Pizza ausgegeben, und dann gibt es eine knackige Stunde Vortrag. Man hat ja schließlich Arbeit. Es ist den Leuten nicht anzusehen, wo in Karriere und Hierarchie sie gerade stehen. Die junge Asiatin neben mir wird wohl morgen eine andere Vorlesung mit ähnlichem Thema, noch spezifische auf Psychiatrie zugeschnitten, halten. Ansonsten wimmelt es von jungen Doktoranden und vermutlich Dozenten.

Der Vortragende von heute ist Politikwissenschaftler. Extrem pfiffig unterweges, das Outfit würde jede BWLer vor Neid erblassen lassen. Er hat natürlich einen hübschen Mac dabei, und eine klare, elegante Keynote-Präsentation. Der Vortrag ist lustig, anschaulich (nicht vergessen: Wir reden hier über ziemlich abgefahrene und abstrakte Statistik!) und hält einige Aha-Erlebnisse bereit. Es werden Baseball-Statistiken vorhergesagt, und der Einfluss des sozioökonomischen Status auf die Matheleistungen, abhängig von Schulart und dem mittleren sozioökonomischen Status der Schule. Puh! Ich verlasse den Raum mit dem Gefühl, den zentralen Gedanken einer neuen statistischen Methode, die gerade wohl sehr im Kommen ist, verstanden zu haben, und richtig Lust mich weiter damit zu beschäftigen.

Und ich bedaure enorm, dass ich kein Foto machen konnte von dem Anblick, der sich mir im Rausgehen bot: Der schnieke junge Dozent im Gespräch mit dem Dozenten von nächster Woche, so ziemlich seinem genauen Gegenteil: Im Wesentlichen ein Typ wie die Leute, die was-auch-immer aus den Mülltonnen in San Francisco angeln. Zottelige graue Haare, schmuddelige Baseballkappe, schlampige Kleidung, eine runde, richtig schwarze Sonnenbrille, ein nervöses beinahe-Stottern. Aber eine nette, lustige Ausstrahlung. Und er klingt durchaus, als ob er wisse von was er redet.

Dass hier Platz ist für solche Leute nebeneinander und sogar miteinander mag einer der Gründe sein, dass Stanford anscheinend als einzige der Top-Unis auch in Rankings über „glückliche“ Studenten ganz oben dabei ist. Beeindruckend, auch wenn der Wissenschaftler in mir natürlich gleich wissen möchte, wie hier bitte „glücklich“ operationalisiert wurde…

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Amerikanische Nachrichtenkultur

Freitag, 26. September 2008 8:24

Keine Angst liebe Freunde, das wird kein zynischer Beitrag. Das ist ein Hinweis, den ich lustigerweise ursprünglich selbst über den Verteiler unserer guten Freunde von AID (Spezialisten in verbaler Armutsbekämpfung) bekommen habe. Es geht um die „Daily Show with Jon Stewart“, eine satirische Nachrichtensendung. Hier eine Sendung, die die große Bankenkrise, Präsidente Bush und hoffentlich-nicht-Präsident McCain abdeckt: 25.9.2008. Eine Seitenhieb auf die dunkle Seite Nachrichtenwesen in Gestalt von Fox News ist aber doch dabei, für alle die „Nachrichtenkultur“ und „amerikanisch“ zusammen eher als dissonant klingend empfinden.

Die Sendungen sind übrigens alle umsonst im Netz zu sehen, respekt!

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Amerikanische Party

Freitag, 26. September 2008 7:27

Meine Zeit hier neigt sich definitiv dem Ende entgegen. Ich merke das daran, dass ich schon ziemlich genau weiß, was ich in der restlichen Zeit machen werde: Noch diese und zwei weitere Wochen Praktikum, davon eine halbe Woche in Austin, Texas, auf einem Kongress, und einige Kurse in Stanford (heute war ich im ersten, dazu später mehr, sehr aufregend…), richtig groß arbeiten werde ich wohl gar nicht mehr.

Nächstes Wochenende ist ein Rad-Wander-Ausflug in die Marin Headlands gleich auf der anderen Seite der Golden Gate Bridge angesagt, danach bin ich einschließlich Wochenende auf der erwähnten Konferenz. Dann ist praktisch schon mein Abschied von Magic angesagt, wir werden wohl auch nochmal eine schöne Wanderung zusammen unternehmen. Dann erste „Ferienwoche“, ich werde noch ein oder zwei Städte anschauen, mindestens Berkley, das soll ganz formidabel zu meiner Lebenseinstellung passen. Ist als Hippiestadt verrufen… :-) Danach bin ich sehr gespannt auf einen mehrtägigen Ausflug in den Redwood Nationalpark mit einer sehr großen Gruppe, Tom (der Professor hier), seine Kinder mit deren Kindern, und einige Freunde ebenfalls mit Familien. Anscheinend ist das eine Tradition von denen, eine sehr schöne wie ich finde. Und dann zur sanften Einstimmung auf die Heimat noch ein paar Tage mit Mona und Wolli aus München, oh wie ich mich freue!

Naja, jedenfalls ist die nächste Zeit damit sehr überschaubar, und es wird Zeit für ein paar rückblickend-resümierende Artikel. Nachdem ich bisher nicht gehalten habe, was der Titel dieses Beitrags verspricht, komme ich damit endlich auf die amerikanische Partykultur zu sprechen. Denn davon werde ich wohl nicht mehr viel haben, hatte aber auch schon eine gute Portion :-)

Mein Erleben ist gespalten in der Hinsicht. Zum einen ist es so, dass San Francisco wirklich die besten Clubs und Diskos aufwartet, die ich in meinem kurzen Leben besuchen durfte. Sehr sehr gute, wunderbar tanzbare Musik, gute Stimmung, schöne Örtlichkeiten. Mit einer Gruppe lustiger Leute kann man es sich da unglaublich gut gehen lassen. Zum anderen ist die Art und Weise, wie das Feiern hier angegangen wird, offen gestanden so ziemlich die Potenz dessen, was mir schon an Partys zu Hause oft nicht gefällt. Da ist erstens das leidige Thema Alkohol. Noch mehr als bei uns scheint der hier gerne mit guter Laune verwechselt zu werden und kann als Synonym für Party verstanden werden. Das Vorglühen, hier „pregaming“ genannt, ist so ausgefeilt dass man wirklich schon richtig betrunken ausgeht. Was nicht heißt, dass man dann nicht weiter trinkt…

Ich glaube, betrunken sein wird hier in ganz anderen Kategorien gehandelt. Ich habe bei einem Anlass ein wenig mitgetrunken (ein wenig heißt hier: deutlich weniger als die Mädels…). Und als mir schon deutlich schwindlig war ging es da erst richtig los. Autsch. Tatsächlich existiert eine ausgefeilte Skala des Betrunkenheitsgrads, auf der ich definitiv noch in den unteren Ebenen zu suchen war.

Danach ging es weiter zu einer weiteren Runde der Vorbereitung des Tanzengehens. Die angetrunkene Meute stürmt ein japanisches Lokal und bestellt japanisches Bier und Sake. Der kleine Sake-Becher wird dann mit Stäbchen über einem Bierglas aufgestellt, alle gemeinsam zählen bis drei (auf japanisch, versteht sich), rufen die magischen Worte die gleichzeitig dem Spiel seinen Namen geben: „Sake Bomb“, und hauen auf den Tisch. Danach wird das widerwärtige Gemisch heruntergestürzt. Überhaupt trinkt man hier viel starke Sachen und stürzt sie schnell runter. Das „es schmeckt doch gut“ Argument, das ich schon immer nicht ganz nachvollziehen konnte, ist hier offiziell fallen gelassen.

Das klingt jetzt alles ziemlich abwertend. Ich kann es mir nicht verkneifen, mit einem Bild zu demonstrieren, dass es mir so schlecht doch nicht gefallen hat. Ich weiß nicht, was ich bemerkenswerter finde, die zwei Mädchen oder meinen Gesichtsausdruck ;-)

Nachdem dieser Abend also eine interessante und auch schöne Erfahrung war, habe ich weiteren Alkohol verzichtet und zwischen Tanzen und Gesprächen wie gewohnt einen guten Platz gefunden. Wobei die Atmosphäre generell nicht so unterhaltungsfreundlich ist. Selbst in Lokalen, wo nicht getanzt wird, ist die Musik so laut, dass einem außer trinken eigentlich nichts zu tun übrig bleibt. Oder vielleicht soll das die Annäherung fördern, weil man sich die Sätze ins Ohr schreien muss?

Im Bereich zwischenmenschlicher Annäherung passieren nämlich auch eine Menge interessante Sachen hier. Jetzt habe ich aber schon so viel geschrieben, dass ich das nicht mehr in der gebührenden Ausführlichkeit schildern könnte. Hier seien nur verheißungsvoll die Worte „hookup“ und „homerun“ in den Raum geworfen und eine baldige Fortsetzung versprochen. Und auf meine Blog-Hauptseite verwiesen, wo ich einige politische Beobachtungen platziert habe. Ich bitte um Verzeihung für das Hin und Her, aber Ihr sollt mein „normales“ Blog sowieso auch lesen! :-)

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Wie Kinder essen wollen sollen

Donnerstag, 25. September 2008 8:00

Ein interessanter und gleichzeitig sehr amerikanischer Artikel in der NYTimes beschäftigt sich mit dem Thema „Ernährungsfehler von Eltern“. Kurz gesagt geht es darum, wie man Kinder zu gesundem Essen bewegen kann. Und die Erkenntnisse stammen aus Studien verschiedener Universitäten, die irgendwo zwischen „jemand musste es mal wissenschaftlich angehen“ und „lustig“ rangieren. Die methodische Qualität lässt sich aus der Zeitungsverarbeitung nicht erschließen. Aber ein paar nicht ganz triviale Ergebnisse können einfach mal in den Raum gestellt und per Augenschein plausibilisiert werden:

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Präsidentschaftswahlen

Mittwoch, 24. September 2008 3:55

Eine Sache, die mich hier in Stanford natürlich sehr beschäftigt sind die anstehenden Präsidentschaftswahlen. Kalifornien wird dabei als bereits entschieden betrachtet — hier werden wohl die Demokraten die Wahlmännerstimmen bekommen, in interessantem Widerspruch zur Wahl von Arnold Schwarzenegger als Gouverneur.

Insgesamt ist dadurch aber die Stimmung hier sehr ruhig, beinahe desinteressiert. Abgesehen davon ist unter jungen Leuten die Stimmung ähnlich polarisiert wie in Deutschland: Bush/McCain/Republikaner sind komplett indiskutabel. Da also sowieso jeder weiß was er und andere Leute wählen hat man nicht viel zu bereden, man wartet halt und hofft. Ein wenig Aufruhr hat die Wahl von Palin als „Running Mate“ bzw. Vize-Präsidentschaftskandidatin verursacht, was allgemein als sehr geschickter Schachzug angesehen wurde. Denn obwohl die Dame dem tief rechten Flügel der Republikaner zugeschrieben werden muss erwartet man, dass viele Frauen es so revolutionär und wichtig fänden, eine Frau als Vizepräsidentin und (angesichts McCains‘ Alter und Gesundheitszustand) potenzielle Präsidentin zu haben, dass ihr das eine Menge Stimmen einbringt. Naja, hoffen wir auf die Vernunft der amerikanischen Frauen…

Hier abschließend noch ein Hinweis auf interessante Informationsquellen. Zum einen gefällt mir eine interaktive Karte der NYTimes sehr gut, die eine Gesamtprognose, Wahlumfragen, bisherige Wahlergebnisse und einen kleinen Erklärungstext bietet.

Darüber hinaus hat sich die „Vorhersagenbörse“ Intrade bewährt. Hier war übrigens der Palin-Schock deutlich abzulesen, Obama war von bequemen 60% auf unter 50% gerutscht. Mittlerweile hat sich das erholt, und wenn man sich die Karte mit einzelnen Staaten anschaut kann man glaube ich Mut fassen. Abgesehen davon, dass die flächenmäßige Übermacht der Republikaner einen auf den ersten Blick ziemlich einschüchtert.

Mein politisches Fazit des USA-Aufenthaltes ist damit: „Die Staaten“ sind einfach genau das: Sehr verschiedene Staaten, die abgesehen von der geteilten Sprache sehr lose zusammenhängen.

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Psychische Systeme und Therapieformen

Samstag, 13. September 2008 1:02

Eine Warnung vorweg: Der folgende Beitrag ist möglicherweise für Leser, die nichts mit Psychologie zu tun haben, oder wenig Englisch sprechen, wenig informativ. Ich möchte einen kleinen Ausschnitt aus einem Buch zitieren, das ich gerade lese.

Es geht darum, die menschliche Psyche als miteinander interagierende Systeme auf verschiedenen Ebenen zu konzipieren. So weit eigentlich nichts Neues. Dann kann man allerdings die verschiedenen Therapieformen dahingehend unterscheiden, welchem System sie sich überwiegend zuwenden. Und abschließend das versöhnliche Urteil fällen, dass Veränderungen in einem System tatsächlich auch die anderen Systeme verändern, und somit viele verschiedene Wege zum Erfolg führen können.

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Essen in Kalifornien

Donnerstag, 4. September 2008 8:08

Es wird höchste Zeit für einen Beitrag, für den ich schon lange Material sammle, gar nicht anders kann als Material zu sammeln, in einem ganz wörtlichen Sinn: Meine Nahrungsaufnahme hier, und die der Menschen um mich herum.

Der typischer amerikanische Teil davon ist sicher mein Kantinen-Mittagessen im VA Hospital. Ich weiß mittlerweile, dass trotz der großspurigen Sprüche im Eingang die Veteran Affairs Hospitals nicht gerade für gute Versorgung berühmt sind. Entsprechend sind hier wohl eher die Leute, die nirgends anders hinkönnen, also im Wesentlichen wohl wirklich diejenigen, die im Krieg irgendwie unter die Räder gekommen sind. Mein Weg aus dem Büro in die Kantine ist damit immer wieder ein Ausflug in eine fremde Welt voller mitleiderregender Menschen. Überwiegend älter, aber teilweise auch junge Männer, die trotzdem alles andere als jugendlich unbeschwert aussehen.

Auch die Kantinenangestellten, von denen es eine Menge gibt und die vermutlich nicht viel verdienen, sind seltsame, lustige Leute. Ein junger Mann an der Burgerausgabe begrüßt mich schon am dritten Tag wie einen alten Bekannten und weiß was ich möchte (Pommes ohne Burger …). Eine nette ältere Asiatin an der Kasse fragt mich nach einer Weile, ob ich denn nicht bald eine richtige Anstellung bekäme. Denn das ist eine weitere Besonderheit meiner Arbeit hier: Für das VA Hospital bin ich ein „Volunteer“, ein Freiwilliger. Und muss jeden Tag meine Arbeitszeit in einem zentralen Computer eintragen und bekomme dafür einen Essensgutschein für 6 Dollar. Erstaunlich, wie sehr mich das freut, dafür dass es sich in einen Stundenlohn von ungefähr 80 Cent ($-Cent, wohlgemerkt) umrechnen lässt. Aber es fühlt sich irgendwie nach Anerkennung an. Und anscheinend ist dieses Volunteertum auch eine Art Warteschleife für richtige Jobs hier.

Das Essen jedenfalls ist hier wie das Vorurteil von Amerika: So ziemlich alles frittiert was geht. „Salat“ bedeutet ungefähr „Hühnchen auf Grünzeug“. Es wird überall eine „Healthy Joice“ angepriesen, aber das bedeutet auch Geflügel. Mein Glück ist: Es gibt auch ein Salatbüffet, und obwohl das meiste, was dort liegt, früher mal glücklich über eine Wiese lief (bzw. vermutlich nicht, aber jedenfalls laufen konnte), komme ich so an etwas Frisches. Danach hatte ich besonders am Anfang ein unglaubliches Verlangen inmitten all der fettigen Sachen, fast so schlimm wie in Spanien.

Ansonsten pendelte sich mein Mittagessen ziemlich schnell bei einem Standard ein, der fast alle Dinge kombiniert, die ein Veganer hier essen kann, und als veganes Gegenstück des „SchniPoSa“ bezeichnet werden könnte, das bei Freiburger Studenten anscheinend so beliebt ist, dass die Mensa es jeden Tag anbietet: Schnitzel mit Pommes und Salat, nur mit Falafel statt Schnitzel:

Ein bisschen ärgerlich ist, dass das Salatbuffet unglaublich teuer ist. Die scheinen die Dinge hier nach Vitamingehalt zu berechnen oder so, jedenfalls kostet der Teller Salat mehr als die anderen Sachen zusammen, und der Gutscheinbetrag erschöpft sich schnell.

Damit sitze ich dann in die Sonne, auf seltsame Tisch-Bank-Kombinationen wie im Kindergarten. Aber immerhin, es ist ein bisschen Grün in der Umgebung.

Und dann beobachte ich mit Staunen, wie schnell sich der Mensch anpasst. Am Anfang habe ich mich noch schrecklich gefühlt, mit Tellern und Schalen aus aufgeschäumtem Plastik zu hantieren und nach jedem Essen eine gute Portion Plastik in den Müll zu schieben, einschließlich Pastikbesteck und einzelne kleine Päckchen vom Ketchup. Aber irgendwie habe ich mich daran gewöhnt.

Der krassest denkbare Kontrast ist dann das Abendessen in der Community. Es wird jeden Abend gekocht, teilweise sind die Mietbewohner dafür eingeteilt, aber eigentlich macht es doch meistens Hilary. Wobei so richtig viel Aufwand scheint es nicht zu sein. Lecker ist das Essen hauptsächlich durch seine guten Zutaten, darüber hinaus ist es ziemlich effizient in einen Topf geschnippeltes Gemüse, mit Kartoffeln oder Reis oder Maiskolben, und eine „Proteinquelle“, z.B. Linsen. Überhaupt scheinen amerikanische Vegetarier sehr besorgt zu sein wegen Proteinen, Vegetarierprodukte werben sehr auffällig damit. Ich weiß nicht, ob es wirklich so gut ist, wenn jede einzelne Mahlzeit 100% des Tagesbedarfs an Proteinen deckt?! Jedenfalls steht jeden Abend ein warmes, ausgewogenes Essen bereit für alle, die Lust haben. Es gibt Salat mit einer Tahin-artigen Soße auf Sesambasis, sehr lecker. Was übrig bleibt wird am nächsten Tag zusätzlich aufgewärmt. In der Mikrowelle, für deutsche Ökos undenkbar, aber die ganze Strahlungssache, die bei uns so heiß diskutiert wird, wird hier ganz unbedenklich gesehen.

Die Zutaten des Community-Essens sind alle „organic“. Und sie sind alle abgelaufen. Teilweise kommen sie aus einem Biosupermarkt, mit dem die Leute hier eine Absprache haben und regelmäßig die alten Sachen abholen. Teilweise kommen sie vom „Farmer’s Market“, dem Wochenmarkt, wo wir von diversen Biobauern abholen, was sie nicht bis zur nächsten Woche aufheben könnten. Ich sage „wir“, weil ich da tatsächlich schon mehrmals dabei war. Neben dem Bäumegießen und allgemeiner Beteiligung hier im Haus gehört das zu meinen Beiträgen, mit denen ich das Essen und so gewissermaßen verdiene. Ich glaube ich habe schonmal erwähnt dass je nach Nutzung der gemeinsamen Dinge ein entsprechender Arbeitseinsatz erwartet wird, ein Konzept das mir sehr gut gefällt. Das folgende Foto gibt einen Eindruck von der reichen Beute, die wir machen:

Es ist schon ein komisches Gefühl zu wissen, dass diese Sachen alle in den Müll wandern würden, wenn wir sie nicht holen würden. Dieser Überfluss ist ja keine amerikanische Besonderheit. Aber von der besonderen Wertschätzung Nahrungsmitteln gegenüber, die glaube ich doch die meisten Deutschen meiner Generation noch in der Erziehung mitbekommen haben, ist hier allgemein nichts zu sehen.

Die Sachen, die wir essen, sind meistens noch top, auch wenn ich mich manchmal schon frage, ob Gemüse und so nicht doch schon viel von seinem Nährwert eingebüßt hat, wenn es so alt ist. In vielen Fällen (Bananen, Pfirsiche, Avocados) ist reifer aber sowieso besser, und ich fühle mich wie im Schlaraffenland. Darüber hinaus gibt es immer irgendwelchen Schnickschnack, der in kleinen Plastikbehältern im Biosupermarkt bestimmt ein Vermögen kostet normalerweise. Couscoussalat, Olivenpasten, Artischockencreme. Oder Chai-Schokoladen-Reisdrink, oder Mandelmilch. Und ich finde es ziemlich lustig, dass ich nie genau weiß, was es gibt. Es reicht jedenfalls immer für mein gewohnt üppiges (und oft mit exotischem Obst richtig dekadentes) Müsli, und ich nehme mir auch immer frische Sachen ins Büro mit.

Mit dieser Rundumversorgung kam ich noch gar nicht dazu, die anscheinend unglaubliche Auswahl an veganen Produkten in den Supermärkten hier zu testen, wurde aber schon mehrmals darauf hingewiesen. Insgesamt kommt mir die Gastronomie hier in der Gegend eher traditionell vor. San Francisco ist natürlich anders, das ist schon eine ziemliche Metropole des alternativen Lebens. Demnächst muss ich mal eine vegane Eisdiele in der Hippie-Ecke Height Street ausprobieren, die mir empfohlen wurde. Ja, San Francisco erobert mein Herz, und keineswegs nur wegen des Essens.

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