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Konstruktion der Partnerschaft

Freitag, 8. Mai 2009 13:51

Ich lese immer wieder mit Genuss die Kolumne zu den „großen Fragen der Liebe“ im ZEIT-Magazin (vermischt mit anderen Artikel zum Thema findet sich eine Übersicht in der Rubrik Partnerschaft auf Zeit Online). Der Autor ist eine alter Paartherapeut aus München, der mich sehr beeindruckt. Ich spüre eine Menge Mitgefühl und Liebe zum Menschsein an sich in seiner Art zu schreiben. Und viel Respekt für die eigenen Perspektiven, in denen Menschen sich ihre Wirklichkeit erschaffen, womit dieses Post eine Art Vorgeschmack für eine Beschäftigung mit dem Konstruktivismus ist, den ich hier auch bald mitteilen will.

Die aktuelle Ausgabe bietet unter der Überschrift „Wie lange soll er um die Ehe kämpfen?“ dafür ein sehr gutes Beispiel:

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Wissenschaft auf dem Weg ins Nirvana

Mittwoch, 6. Mai 2009 16:01

Ich weise mit Vergnügen auf einen Gastvortrag hier in Freiburg von einem Dozenten aus meiner alten Heimat LMU hin, der illustriert, wohin sich die Psychologie gerade bewegt. Thema ist: „Visuell-räumliche Prozesse wenn Dreiecken ein mentaler Zustand zugeschrieben wird“ …

Ich vermute, dass daran etwas ganz Spannendes zu lernen ist, und erkenne jedenfalls an dass mein Häme unqualifiziert ist. Vielleicht können damit Informationsverarbeitungsmodelle der menschlichen Psyche angepasst werden, mentalen Zuständen Rechnung zu tragen. Was dann als ein Schritt in die richtige Richtung zu interpretieren wäre. Bleibt die Frage offen, ob dieses Paradigma in dem Kontext wirklich so nützlich ist. Und ob reduktionistisch-experimentelle Forschung hier Sinn macht. Ich selbst bin mir recht sicher, dass ich Dreiecken andere mentale Zustände zuschreibe als Menschen …

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Alkoholmissbrauch und Kultur

Donnerstag, 30. April 2009 11:53

Ich lese gerade in einem Artikel über die Prävalenz psychischer Störungen eine lustige, weil so nüchtern wissenschaftlich formulierte Erklärung dafür, warum amerikanische (und auch andere internationale) Studien höhere Raten von Alkoholmissbrauch fanden als diese deutsche Studie:

Yet, the low prevalence is surprising since alcohol consumption, according to the WHO world drink trends reports, is comparatively high in Germany. An explanation could be the fact that diagnostic criteria focus more on (culturally and socially determined) inadequacy of drinking behaviour than on absolute quantity of consumption. Therefore, as an example, it is easier to qualify for alcohol abuse in the USA where the consumption of 1.5 litres of beer is labelled as ‘binge drinking’ compared to wide parts of the German society, where this amount is consumed several times a week without further negative social consequences. In particular, young people are more likely to receive a diagnosis of alcohol abuse in the USA where drinking in public is illegal until the age of 21 (Germany: 16 years).

Die 12-Monats-Prävalenz beträgt übrigens auch in dieser Studie immer noch 4,1%, d.h. wenn man jeweils das letzte Jahr betrachtet hatten 4,1% der Deutschen die Diagnose Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit. Nicht eingerechnet die, für die es normal ist ein paar Mal die Woche anderthalb Liter Bier zu trinken …

Jacobi, F., Wittchen, H. U., Hölting, C., Höfler, M., Pfister, H., Müller, N., u. a. (2004). Prevalence, co-morbidity and correlates of mental disorders in the general population: results from the German Health Interview and Examination Survey (GHS). Psychological Medicine, 34(04), 597–611.

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Das dicke rote Buch

Mittwoch, 15. Oktober 2008 7:31

Ich hatte einige Male das dicke rote Buch erwähnt, das mich hier aus Stanford gleich nochmal in eine ganz andere Welt entführt hat. Nachdem es jetzt schon eine ganze Weile ausgelesen neben dem Bett liegt und immer noch schöne Erinnerungen und interessante Gedanken nachklingen ist es höchste Zeit, ein paar Details preiszugeben. Soviel jedoch vorweg: Es handelt sich um einer der besten Bücher, die ich je gelesen habe, und das will was heißen :-) Und es hat ein wunderschönes Cover…

The Hakawati“ von Rabih Alameddine, ein libanesisch-amerikanischer Autor (und anscheinend auch Maler). Ich wurde über einen NYTimes-Artikel zuerst aufmerksam und war neugierig auf ein Buch, das einer alten arabischen Tradition folgend viele kleine Geschichten in eine große Rahmenerzählung packt — man denkt gleich an Tausendundeine Nacht. Außerdem bin ich schon eine Weile immer hellhörig, wenn ich an zeitgenössische Berichte vom Leben in muslimischen Ländern herankomme.

Was ich beim Lesen erlebe ist im Wesentlichen: Fesselnde Unterhaltung, viel subtiles zwischenmenschliches Geschehen, einige kulturvergleichende Einsichten. Und eine beinahe philosophische Auseinandersetzung mit dem Thema „Erzählen“ an sich. Und beinahe heißt hier: Das Thema wird nur am Rande abstrakt behandelt. Zu Beginn der Kapitel finden sich Zitate, die dann nachklingen und einen Rahmen schaffen, der dazu einlädt die beim Lesen erlebten Gefühle zu reflektieren. Das geht vom Anfang, einer herausfordernden Behauptung für Psychologen, die daran gewöhnt sind an die Grenzen der verbalen Mitteilung zu stoßen:

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Psychische Systeme und Therapieformen

Samstag, 13. September 2008 1:02

Eine Warnung vorweg: Der folgende Beitrag ist möglicherweise für Leser, die nichts mit Psychologie zu tun haben, oder wenig Englisch sprechen, wenig informativ. Ich möchte einen kleinen Ausschnitt aus einem Buch zitieren, das ich gerade lese.

Es geht darum, die menschliche Psyche als miteinander interagierende Systeme auf verschiedenen Ebenen zu konzipieren. So weit eigentlich nichts Neues. Dann kann man allerdings die verschiedenen Therapieformen dahingehend unterscheiden, welchem System sie sich überwiegend zuwenden. Und abschließend das versöhnliche Urteil fällen, dass Veränderungen in einem System tatsächlich auch die anderen Systeme verändern, und somit viele verschiedene Wege zum Erfolg führen können.

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Die schöne englische Sprache

Sonntag, 31. August 2008 7:14

Ich nutze meinen Aufenthalt hier in Stanford natürlich für angeregten Austausch nicht nur in englisch, sondern auch über die englische Sprache selbst. Gerade der Professor, mit dem ich zusammenarbeite, ist dafür ein toller Gesprächspartner. Es ist überraschend, wie sehr eigentlich jeder englisch sprechende Mensch seine eigene Sprache hat, mit einem ganz eigenen Wortschatz. Man muss nicht sehr abgefahren unterwegs sein, um Wörter zu verwenden die andere nicht kennen — passiert mir sogar manchmal (und dann rede ich verwirrt mit jemand anderem, der mir versichert dass das kompletter Standard ist…).

Gerade bin ich auf eine Seite aufmerksam gemacht worden, die viele der sprachlichen Verwirrungen, in denen sich englische Muttersprachler befinden, aufgreift. Und auch für Zweitsprachler spannend ist: Common Errors in English.

Mich freuen immer besonders die Sachen, wo französische Wörter in die englische Sprache aufgenommen wurden. Vielleicht weil ich die Aussprache dort schon so lustig finde. Im wesentlichen handelt sich sich da aber um Spitzfindigkeiten zwischen Snobs und Ignoranten.

Lebensnäher sind da schon solche Fragen: loan or borrow?

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Zynismus (II) – Umschleichen. Devil’s Dictionary

Freitag, 14. September 2007 18:12

Noch zu Schulzeiten habe ich auf einem Bücherflohmarkt ein Buch mitgenommen, das mich belustigt und fasziniert hat: The Devil’s Dictionary von Ambrose Bierce, laut Wikipedia 1911 veröffentlicht. Die Sprache ist teilweise ziemlich anstrengend, aber wenn man sich mit einem Wörterbuch (einem „echten“, meine ich) bewaffnet und durchgekämpft hat, hat man einige schöne neue englische Wörter und Feinheiten der Sprache gelernt, eine böse, aber bemerkenswerte Perspektive auf zwischenmenschliche Vorgänge gewonnen, in der manches ans Licht kommt was hinter den Dingen steckt und vermutlich das eine oder andere Mal herzhaft gelacht.

Manche Definition würde für heutige Leser (zumindest mich;-) gar nicht als zynisch durchgehen, sondern einfach als eine prägnante Zuspitzung von allgemein anerkannten Tatsachen. Möglicherweise ist da aber auch Sloterdijks Popularisierung des Zynismus am Werk?

Es bleiben jedenfalls genügend Gedanken, die noch nicht vollständig im Alltagsdenken angekommen sind. Im Folgenden eine kleine Auswahl:

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Bipolare Störung bei Kindern – Pharma mal wieder

Freitag, 7. September 2007 12:43

Laut einem spannenden NY-Times-Artikel hat sich die Anzahl der mit der Bipolaren Störung (der veraltete Name „Manisch-Depressive Störung“ sagt mehr über die Symptome, noch mehr sagt Wikipedia) diagnostizierten Kinder und Jugendliche zwischen 1994 und 2003 vervierzigfacht! Danach ging der Anstieg allem Anschein nach weiter.

Man könnte sich natürlich freuen, dass mehr psychisch kranke Kinder endlich die Behandlung bekommen, die sie brauchen. Aber bei den Zahlen… Man könnte auch sagen:

Other experts say bipolar disorder is overdiagnosed. The term, the critics say, has become a catchall applied to almost any explosive, aggressive child.

NYTimes 4.9.2007 — Bipolar Illness Soars as a Diagnosis for the Young (Selbe Quelle auch für die folgenden Zitate)

Jedenfalls ist unklar, ob die Medikamente bei Jugendlichen ähnlich wirken wie bei Erwachsenen, und welche Nebenwirkungen sie haben. Getestet sind sie nicht. Klar ist, dass die Entwicklung die Pharmafirmen freut. Die Medikamente für Bipolare Störung sind ziemliche Hämmer, und kosten etwa 3–5 mal so viel wie Medikamente für „normale Störungen“ wie Depression oder Angst.

Ich erspare euch die genauen Medikamente, die am häufigsten dabei sind. Die meisten können mit den Namen nichts anfangen, und die anderen wird das kalte Grauen packen. In dem Artikel stehen sie.

Jedenfalls noch drei Anmerkungen:

Die Diagnose ist unsicher, und es ist unwahrscheinlich dass ein Kind, das die Störung diagnostiziert bekommt, sie auch als Erwachsener bekommt. Das ist ein bisschen seltsam, weil die Bipolare Störung eine starke genetische Komponente hat. Noch seltsamer ist, dass die Kinder später eher depressiv werden, was eine starke soziale Komponente in der Enstehung hat.

“From a developmental point of view,” Dr. March said, “we simply don’t know how accurately we can diagnose bipolar disorder or whether those diagnosed at age 5 or 6 or 7 will grow up to be adults with the illness. The label may or may not reflect reality.”

Most children who qualify for the diagnosis do not proceed to develop the classic features of adult bipolar disorder like mania, researchers have found. They are far more likely to become depressed.

Ungefähr die Hälfte der Kinder hat noch eine andere Diagnose, in der Mehrzahl ADS. Da treffen sich dann zwei unklare, „catch-all“-Diagnosen für „schwierige“ Kinder. Deshalb ein kleines Zitat und Fazit:

“These are kids that have rage, anger, bubbling emotions that are just intolerable for them,” Dr. Pavuluri said, “and it is good that this is finally being recognized as part of a single disorder.”

Vielleicht wäre es auch ganz gut, nach einem Grund für diese Gefühle zu suchen?

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Bewusstsein

Donnerstag, 30. August 2007 1:24

Die ZEIT, ein Gespräch mit dem Philosophen Thomas Metzinger von der Uni Mainz. Thema ist die Suche nach der menschlichen Seele, seine Position neuro-naturwissenschaftlich-pragmatisch. Auf die Frage „können wir uns von der Evolution emanzipieren“ antwortet er auf herrliche Weise nicht. Völlig an der Frage vorbei bringt er zwei Dinge so schön auf den Punkt, dass er Anlass zur neuen Kategorie „Einfach gesagt“ gibt…

Was übrigens nicht heißt, dass ich in seinen Aussagen der Weisheit oder Wahrheit letzten Schluss sehen würde. Aber sie sind echt schön!

Unser bewusstes Selbstmodell hat einen räumlich kodierten Teil, das Körperbild, und einen „außersinnlichen“, das Denken. Darum sind wir intuitive Dualisten. (DIE ZEIT Nr. 34, 16.08.2007)

Jetzt wissen wir also, wie diese Idee in die Welt kam :-) toll.

Zweitens beherrscht uns ein tief in unser Selbstmodell eingebrannter biologischer Imperativ: Du darfst nicht sterben, du musst überleben. Und drittens haben wir bewusste Gedanken, und der präfrontale Kortex, unser kognitives Selbstmodell, sagt uns: Der größte anzunehmende Unfall, der wird kommen, auch für dich. Das ist der existenzielle Riss im Selbstmodell. (ebenda)

Aua. Den Riss kann man fühlen… Wundervoll.

An der Stelle übrigens mal ein großes Lob für DIE ZEIT, deren Artikel ich gerne auf Papier lese, aber alle im Internet finde um sie hier zu verlinken!

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Religion und Gewalt – Buchempfehlung

Mittwoch, 29. August 2007 23:38

Ich stelle hier kurz ein Buch vor, auf das ich beim Durchblättern von alten ZEIT-Artikeln gestoßen bin (oh ja, Ferien sind sooo toll!). Habe es natürlich noch nicht selbst gelesen, aber die Rezension klingt so überzeugend, dass ich es mir auf jeden Fall besorgen werde. Falls es irgendwann gebraucht zu haben ist, weil 25 Euro sind schon recht happig.

Jedenfalls scheint das Buch ein Glanzstück historischer Arbeit zu sein, in dem quellennah der Zusammenhang von Religion, besonders monotheistischer und ganz besonders der christlichen, mit „Toleranz und Gewalt“ (so auch der Titel des Buches von Arnold Angenendt) ausgeleuchtet wird.

Ein einfaches Fazit gibt es natürlich nicht. Dafür ein interessanter Gedanke auf den Weg:

Angenendt zeigt, wie eng die Entwicklung des Einzelnen, der sich seiner Individualität auch bewusst ist und sich als verantwortlich und frei versteht, mit der Geschichte des biblischen Monotheismus verbunden ist. Die zahlreichen und zu Recht angeprangerten Verstöße gegen Toleranz und Freiheit in der Geschichte des Christentums erhalten erst dann die Qualität von Untaten, wenn sie an den Ansprüchen dieser Religion gemessen werden.

Die Zeit Nr. 28, 5.7.2007

Ich denke insgesamt kommt das Christentum in dieser Darstellung vermutlich ein wenig besser weg, als ich es bisher betrachtet hatte. Bin jedenfalls sehr gespannt.

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