Ecomagic — Leben in der Community

Ich bin noch nicht mal zwei Wochen hier in 381 Oxford Ave, Sonntag vor zwei Wochen bin ich eingezogen, und es fühlt sich schon viel länger an. Naja, alles hier fühlt sich gerade viel länger an als es ist, und ich fühle mich auch eigentlich jeden Abend als hätte ich eine ganze Arbeitswoche hinter mir. Dennoch ist das „ich-bin-schon-lange-hier“-Gefühl in der „Community“ noch mehr. Ich fühle mich mittlerweile richtig zu Hause hier. Die oben schon verlinkte Karte auf Google markiert mein Haus, und zeigt links davon den riesigen Stanford-Campus, ganz unten rechts in auffälliger Form das VA Hospital, wo ich zum Arbeiten in strammen 20 Minuten hinradle, und links unten das Gelände um den „dish hill“, wo wir regelmäßig Bäume gießen – dazu später mehr. Die folgenden Bilder zeigen mich in meinem kleinen (wirklich kleinen!) Zimmer, am ersten Abend stolz vor dem eingeräumten Schrank und im kühlen Licht des ersten Morgens, noch sehr müde. Zwischen Spiegel und Bett ist ziemlich genau eine Bettlänge mal Türbreite schöner alter Parkettboden, haarscharf genug für den Yoga-Morgengruß, und das war’s.

Die Zusammensetzung der WG ist sehr interessant. Da sind zum einen die vier „Alten“, zwei Männer und zwei Frauen, denen die Sache gehört, die das zur Community gehörige Projekt EcoMagic leiten und ein gewisses Hippie-Kommunen-Gefühl ausstrahlen. Da wird z.B. die Türe offen gelassen wenn man aufs Klo geht. Außerdem sind da die drei Kinder, Zwillingsmädchen von 9 und ein Junge von 4 Jahren. Ich weiß zwar mittlerweile, dass die eine Frau die Mädels und die andere den Jungen zur Welt gebracht hat (mich hatte schon vor der Abreise ins Schmunzeln gebracht, dass auf der Homepage bei beiden Frauen „ist eine Mutter für“ in Bezug auf alle Kinder stand). Aber wie sonst die Elternschaft verteilt ist, ist undurchsichtig.

Die Kinder entsprechen ziemlich dem Klischee der antiautoritären Erziehung, sind unglaublich quirlig und neugierig, und machen grundsätzlich erstmal was sie wollen. Ich musste mich erst daran gewöhnen, bei Gelegenheit klar und deutlich nein zu sagen. Aber das klappt dann auch ziemlich gut, und es ist allgemein ein sehr großer Respekt vor dem privaten Zimmer da. Das ist auch echt wichtig bei der Menge Leuten, die hier eng aufeinander wohnen.

Neben dieser Kerngruppe sind da nämlich noch ungefähr zehn Leute, die zwischen vier Jahren und einem Monat hier sind. Das sind großteils Stanford-Studenten oder Doktoranden, aber einige gehen auch einer „echten“ Arbeit nach. Alle sind natürlich irgendwie verrückt und besonders, sind entweder sehr ökologisch oder sehr alternativ oder sehr extravertiert, und dadurch für das Leben in der Community qualifiziert. Auf jeden Fall ist jeden Abend jemand zum Plaudern da, ein sehr wertvolles Gefühl, nachdem ich doch überwiegend alleine vor dem Computer sitze tagsüber.

Das Plaudern ist auch immer interessant und anregend, aber bleibt im Moment doch Plaudern. Und das ist auch ein Punkt, wo mir wieder bewusst wird, was eine so eingeschworene WG wie meine zu Hause wert ist. Wo sich einfach jedes Zimmer so vertraut anfühlt wie mein eigenes. Wo ein Gespräch direkt mit Dingen anfangen kann, die einen ganz tief beschäftigen. Und dazu ein Land, wo die richtige Antwort auf die Frage „how are you?“ nicht ist: „How are YOU?!“ (Tatsache, man hält sich hier oft nicht mehr damit auf, das obligatorische „fine“ überhaupt auszusprechen, und auf die Gegenfrage erwartet man überhaupt keine Antwort). Wobei sogar das hier in der Community ein bisschen anders ist.

Naja, genug in schönen Erinnerungen geschwelgt. Es wäre noch viel zu erzählen, von der interessanten Organisation des Alltags und besonders der Mahlzeiten hier, von der Arbeit mit der Community, von meiner ersten coolen Party in San Francisco, auf die ich mit einigen jungen Leuten von hier gefahren bin. Aber ich muss schlafen, und habe die durchschnittliche Internet-Lesespanne wohl ohnehin schon ziemlich strapaziert. Deshalb lasse ich ein letztes Bild mehr als tausend Worte über die idyllische Umgebung sagen. Das ist in der Sofaecke auf der Terrasse vor dem Haus. Oh, über das dicke rote Buch, das ich da in der Hand habe, werde ich auch noch mehr schreiben, das ist eines der unterhaltendsten, spannendsten Bücher in Jahren! To be continued …

Tags »

Autor:
Datum: Freitag, 15. August 2008 7:31
Trackback: Trackback-URL Themengebiet: Stanford

Feed zum Beitrag: RSS 2.0 Kommentare und Pings geschlossen.

3 Kommentare

  1. 1

    super sache. Ist die Klotür immer offen oder nur beim pinkeln?

  2. 2

    Hallo!
    Da bist du ja ganz tief ins Hippie-Leben eingetaucht! Eine Zeitreise ;). Aber deine WG klingt echt sympathisch!
    Aso und dein Leserkreis kommt mit einer überdurchschnittlichen Lesespanne sehr gut zurecht, was auch an deinem angenehmen Schreibstil liegt! Also bremse dich nicht ;).
    Dir noch eine angenehme Zeit und wir freuen uns schon auf deinen nächsten Bericht!
    Ganz liebe Grüße aus Schwäbisch Hall
    *Knuddl*

  3. 3

    Hm, die Klosache scheint die Gemüter mehr zu bewegen als ich erwartet hatte :-) Die Tür ist bei manchen Leuten tatsächlich immer offen. Ich hatte auch schon ein interessantes Erlebnis beim Zähneputzen morgens. Habe selber offen gelassen, weil ich gemeinsamer Badbenutzung zu Stoßzeiten ja grundsätzlich offen gegenüberstehe. Und dann kommt jemand rein und beginnt sein großes Geschäft. Naja, interessante Erfahrungen ;-)