Beiträge vom 12. August 2008

Die Arbeit – erste Woche

Dienstag, 12. August 2008 7:51

Eine Arbeitswoche liegt jetzt hinter mir, ein guter Zeitpunkt für eine erstes Résumé. Obwohl Tom Roth ein Professor an der Stanford Medical School ist hat er Büros und Labore im „VA Hospital“, so die landläufige Abkürzung des „Veterans Affairs Palo Alto Health Care System“. Das Gelände mutet ziemlich militärisch an, es gibt eine eigene Polizei auf dem Gelände, und andere Praktikanten haben schon gewaltig Ärger bekommen, weil sie Fotos gemacht haben… Trotzdem ein Schnappschuss aus meinem Fenster, der einen ganz guten Eindruck von der Wüstenstimmung gibt, die da herrscht:

Das Militärische und Veteran-Sein nehmen auch sonst einen großen Raum ein. Interessant ist z.B. ein großes Bronzekunstwerk vor dem Haupteingang, das einen Adler darstellt, der mit einer Schlange ringt, mit einem Schriftzug darunter, ein Zitat von Abraham Lincoln voller Pathos: „To care for him who shall have borne the battle and for his widow, and his orphan.“

Veteranen sind im Übrigen wirklich kein schöner Anblick, und ich bin fast froh, dass mein Visum keinen Patientenkontakt erlaubt. Und staune und kann es nicht recht fassen, wie man mit diesem Gesicht des Krieges berufsmäßig konfrontiert sein kann, und trotzdem Krieg richtig finden. Naja, wahrscheinlich erklärt die gute alte Dissonanztheorie das alles: Eine Sache, für die man so große Opfer gebracht hat, kann man unmöglich falsch finden.

Ich bin jedenfalls ganz froh, dass der schlimmste Aspekt meiner Arbeit ist, Nachmittags den Rolladen schließen zu müssen, um nicht im Büro gegrillt zu werden. Wobei das nicht wenig schlimm ist, wenn die Sonne draußen so lacht und man drinnen in Neonröhrenlicht neben einer brummenden Klimaanlage sitzt. Vormittags versuche ich so lange wie möglich das Tageslicht reinzulassen:

Und ich sollte mich echt bemühen, früher in der Arbeit zu sein, und dann Nachmittags an die Sonne zu gehen statt sie abzuschirmen.

Die Arbeit selbst war in der ersten Woche sehr abwechslungsreich und lehrreich. Ein bisschen Literaturrecherche sowohl zu inhaltlichen Dingen als auch methodisch, worüber ich dann gleich eine kleine Präsentation im „lab meeting“ zu halten hatte. Und dann ging es ans MATLAB-Programmieren. Ein bisschen wie ein angestaubter Verwandter von R, das sich mittlerweile zu meiner Lieblings-Statistiksoftware entwickelt hat. Naja, viel Konkurrenz gibt es ja nicht.

Jedenfalls lerne ich die Sache sehr fix. Und gerate in zwei innere Konflikte. Erstens schwanke ich hin und her zwischen einer sehr kindlichen, reinen Freude an den abstrakten Spielereien und Gedankenwindungen, die da nötig und möglich sind einerseits, und dem Bewusstsein dass das alles irgendwie leer ist, ein Spiel eben, und dass alles was ich nach einem anstrengenden Arbeitstag produziert habe ein paar andersrum gedrehte Magnete auf einer Festplatte sind. Zweitens hat Tom heute die ersten Bücher aus dem Zimmer der Doktorandin zu mir gebracht, mit Aufgaben die eigentlich sie machen sollte. Und sie scherzt, dass ich sie bald ersetze. Was natürlich Quatsch ist, aber eben auch nicht nur Spaß. Und ich befürchte, dass ziemlich bald der Punkt kommt, wo meine Freude, die Sache gut zu machen, mit Loyalität gegenüber einer freundlichen Helferin, und möglicherweise einem guten Arbeitsklima, in Konflikt gerät.

Naja, ich warte mal ab, und bin gespannt auf die weiteren Dinge. Ein bisschen handwerkliches Geschick wird wohl bald von mir verlangt werden, wenn Geräte für eine neue Studie modifiziert werden sollen, wozu man löten muss. Ansonsten werde ich wohl immer tiefer in die Datenberge graben. Ob ich vielleicht tatsächlich noch dazu komme, selber ein Paper über die Sachen zu schreiben, die da zu Tage gefördert werden?

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Foothill Lane

Dienstag, 12. August 2008 6:40

Hier ein kleiner Rückblick über meine ersten Tage, zu Gast bei Prof. Tom Roth und seiner Familie in einer wunderschönen, wenn auch (oder gerade weil) etwas abgelegenen Gegend, wie der Straßenname verheißt am Fuße eines Hügels (hier zur Orientierung eine Karte des Wegs von der Wohnung zur Arbeit). Wie Tom mit einem gewissen Sarkasmus anmerkt handelt es sich um ein ziemlich nobles Viertel, die Häuser groß und weit auseinander, viele dicke Autos. Aber anscheinend ethnisch trotzdem durchmischt, die Zeiten in denen in Amerika nur Weiße richtig reich waren sind wohl vorbei. Vor allem Asiaten holen auf.

Was die Bewohner des Hauses angeht bedeutet „Familie“ Tom selbst, seine sehr fürsorgliche und freundliche Frau und eine Doktorandin aus Dresden, die dauerhaft dort untergekommen ist. Sie hat mich auch vom Flughafen abgeholt und seither kräftig unterstützt, beim Einleben genauso wie mit Bürokratie und bei der Arbeit.

Der erste Abend, noch etwas Jetlag-benommen, war gleich ein bunter Familienabend mit dem Sohn der Roths und dessen Frau und Kindern. Sehr schön fand ich eine Familientradition, dass alle in aufsteigender Altersreihe ihre „news“ erzählen. Das hat sich dann in ein ziemlich fachliches Gespräch mit Tom und seinem Sohn entwickelt, der ebenfalls Psychologe ist.

Leider habe ich wenig Bilder aus dieser Zeit, aber mein erstes Erwachen war so schön, dass ich es gleich festgehalten habe: Irgendwann schien mir herrliche kalifornische Sonne ins Gesicht, und es zeigte sich dass sie mich wirklich ganz gezielt aufgesucht hat:

Der Blick vom Bett in die entegengesetzte Ecke zeigt mein Reisegepäck, erst in meiner „richtigen“ Wohnung ganz ausgepackt, vor einer der vielen imposanten Bücherwände im Haus. Sie sind gefüllt mit interessanten Sachen, ich wüsste gerne wie viel davon er tatsächlich gelesen hat.

So stellt man sich die Wohnung eines älteren Professors vor, und auch seine Gewohnheiten und Interessen passen perfekt ins Bild. Es wird regelmäßig Tageschau geschaut (ja, auf deutsch), außerdem norwegische Nachrichten. Das sind nur die meistgepflegten von mehreren Fremdsprachen, die Tom wohl beherrscht. Seine Begeisterung für Sprachen kommt mir sehr zu gute, von Anfang an korrigiert er Fehler in Grammatik und Aussprache und ist auch immer für ein „warum ist das so“ offen, das natürlich leicht ins Philosophische führt.

Die ersten Tage flogen ansonsten mit allerlei organisatorischen Zeug förmlich vorbei. Ohne Auto oder Fahrrad bekam ich die Weite des Landes besonders zu spüren. Weil ich aber zum Glück nicht wirklich Eile hatte konnte ich es durchaus genießen, wie hier mal eine Stunde auf den Bus zu warten:

Ich war wirklich wehmütig, als ich am Sonntag (vor gut einer Woche also) aus dem gemütlichen Haus ausgezogen bin. Zu angenehm und lehrreich war das Zusammenleben mit Tom und Familie gewesen. Und meine „community“ hatte sich auf den ersten Besuchen als sehr bunt, durchaus ins chaotische neigend, präsentiert. Zum Glück stellte sich heraus, dass der Kontakt mit Tom auch auf der Arbeit sehr persönlich und informell ist, und dass die WG durchaus auch zur Ruhe kommen kann. Und außerdem viel überschaubarer ist, wenn man sich ein paar Namen gemerkt hat.

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