Beitrags-Archiv für die Kategory 'Stanford'

Denn sie wissen nicht, was sie glücklich macht

Donnerstag, 21. Mai 2009 19:37

Ich schaue immer noch mit Vergnügen und einer gewissen Wehmut durch die Leseempfehlungs-Rundmails, die meine kalifornischen Mitbewohner von Magic an die Studenten ihres Stanford-Seminars zu „Valuescience“ und Interessierte Freunde (so wie mich) schicken. Ein großes Steckenpferd dieser Denkrichtung ist, dass wir uns in der Regel täuschen, wenn wir versuchen einzuschätzen, wie viel Glück oder Freude eine bestimmte Sache (oder auch ein Job, ein Lebenspartner, …) uns bringen werden. Und damit natürlich suboptimal leben.

Ein Aspekt davon wird sehr schön illustriert von dem Psychologen Dan Gilbert aus Harvard in einem TED-Talk, in Form der bekannten Abweichungen von der Rational Choice Theory. Für Psychologen und Ökonomen eine schöne Auffrischung und Anschauung, für alle Anderen vermutlich sehr lehrreich. Es stellt sich nur die Frage, was daraus für unsere Lebensführung folgt? Ein Punkt, den die Magic-Leute machen, ist: in unseren Entscheidungen mehr darauf vertrauen, wie es anderen Leuten geht, die sich für eine der Alternativen entschieden haben, die wir erwägen. Wir seien nicht so besonders wie wir immer denken. Was dort radikal gelebt wird und (so wurde mir berichtet) nach einer systematischen Befragung von verheirateten Frauen dazu geführt hat, dass die zwei Mütter in der WG sich entschieden haben „alleine“ Kinder zu bekommen und sie in der Community großzuziehen.

Genug Erinnerungen, hier geht’s zum Video:

[…]

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Stanford, ohoho

Freitag, 26. September 2008 9:13

Pünktlich zum Ende meines Praktikums (naja, zum Glück etwas früher) fängt hier in Stanford der Vorlesungsbetrieb wieder an. Und ich komme aus den muffigen VA-Gebäuden in die feine feine offene und grüne Atmosphäre des Stanford-Campuses, die mir bald eine eigene kleine Fotoserie wert sein wird.

Die erste erstaunliche Sache ist das Konzept uni-interner Dienstleistungen. Schon vorher hatte ich mit dem „Bio-Statistician Helpdesk“ Kontakt, der Biowissenschaftler bei der Datenanalyse unterstützt. Und jetzt: Eine eigene Institution, die Sozialwissenschaften methodisch fit machen und vernetzen soll. Wow!

Vor der Vorlesung wird Pizza ausgegeben, und dann gibt es eine knackige Stunde Vortrag. Man hat ja schließlich Arbeit. Es ist den Leuten nicht anzusehen, wo in Karriere und Hierarchie sie gerade stehen. Die junge Asiatin neben mir wird wohl morgen eine andere Vorlesung mit ähnlichem Thema, noch spezifische auf Psychiatrie zugeschnitten, halten. Ansonsten wimmelt es von jungen Doktoranden und vermutlich Dozenten.

Der Vortragende von heute ist Politikwissenschaftler. Extrem pfiffig unterweges, das Outfit würde jede BWLer vor Neid erblassen lassen. Er hat natürlich einen hübschen Mac dabei, und eine klare, elegante Keynote-Präsentation. Der Vortrag ist lustig, anschaulich (nicht vergessen: Wir reden hier über ziemlich abgefahrene und abstrakte Statistik!) und hält einige Aha-Erlebnisse bereit. Es werden Baseball-Statistiken vorhergesagt, und der Einfluss des sozioökonomischen Status auf die Matheleistungen, abhängig von Schulart und dem mittleren sozioökonomischen Status der Schule. Puh! Ich verlasse den Raum mit dem Gefühl, den zentralen Gedanken einer neuen statistischen Methode, die gerade wohl sehr im Kommen ist, verstanden zu haben, und richtig Lust mich weiter damit zu beschäftigen.

Und ich bedaure enorm, dass ich kein Foto machen konnte von dem Anblick, der sich mir im Rausgehen bot: Der schnieke junge Dozent im Gespräch mit dem Dozenten von nächster Woche, so ziemlich seinem genauen Gegenteil: Im Wesentlichen ein Typ wie die Leute, die was-auch-immer aus den Mülltonnen in San Francisco angeln. Zottelige graue Haare, schmuddelige Baseballkappe, schlampige Kleidung, eine runde, richtig schwarze Sonnenbrille, ein nervöses beinahe-Stottern. Aber eine nette, lustige Ausstrahlung. Und er klingt durchaus, als ob er wisse von was er redet.

Dass hier Platz ist für solche Leute nebeneinander und sogar miteinander mag einer der Gründe sein, dass Stanford anscheinend als einzige der Top-Unis auch in Rankings über „glückliche“ Studenten ganz oben dabei ist. Beeindruckend, auch wenn der Wissenschaftler in mir natürlich gleich wissen möchte, wie hier bitte „glücklich“ operationalisiert wurde…

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Amerikanische Party

Freitag, 26. September 2008 7:27

Meine Zeit hier neigt sich definitiv dem Ende entgegen. Ich merke das daran, dass ich schon ziemlich genau weiß, was ich in der restlichen Zeit machen werde: Noch diese und zwei weitere Wochen Praktikum, davon eine halbe Woche in Austin, Texas, auf einem Kongress, und einige Kurse in Stanford (heute war ich im ersten, dazu später mehr, sehr aufregend…), richtig groß arbeiten werde ich wohl gar nicht mehr.

Nächstes Wochenende ist ein Rad-Wander-Ausflug in die Marin Headlands gleich auf der anderen Seite der Golden Gate Bridge angesagt, danach bin ich einschließlich Wochenende auf der erwähnten Konferenz. Dann ist praktisch schon mein Abschied von Magic angesagt, wir werden wohl auch nochmal eine schöne Wanderung zusammen unternehmen. Dann erste „Ferienwoche“, ich werde noch ein oder zwei Städte anschauen, mindestens Berkley, das soll ganz formidabel zu meiner Lebenseinstellung passen. Ist als Hippiestadt verrufen… :-) Danach bin ich sehr gespannt auf einen mehrtägigen Ausflug in den Redwood Nationalpark mit einer sehr großen Gruppe, Tom (der Professor hier), seine Kinder mit deren Kindern, und einige Freunde ebenfalls mit Familien. Anscheinend ist das eine Tradition von denen, eine sehr schöne wie ich finde. Und dann zur sanften Einstimmung auf die Heimat noch ein paar Tage mit Mona und Wolli aus München, oh wie ich mich freue!

Naja, jedenfalls ist die nächste Zeit damit sehr überschaubar, und es wird Zeit für ein paar rückblickend-resümierende Artikel. Nachdem ich bisher nicht gehalten habe, was der Titel dieses Beitrags verspricht, komme ich damit endlich auf die amerikanische Partykultur zu sprechen. Denn davon werde ich wohl nicht mehr viel haben, hatte aber auch schon eine gute Portion :-)

Mein Erleben ist gespalten in der Hinsicht. Zum einen ist es so, dass San Francisco wirklich die besten Clubs und Diskos aufwartet, die ich in meinem kurzen Leben besuchen durfte. Sehr sehr gute, wunderbar tanzbare Musik, gute Stimmung, schöne Örtlichkeiten. Mit einer Gruppe lustiger Leute kann man es sich da unglaublich gut gehen lassen. Zum anderen ist die Art und Weise, wie das Feiern hier angegangen wird, offen gestanden so ziemlich die Potenz dessen, was mir schon an Partys zu Hause oft nicht gefällt. Da ist erstens das leidige Thema Alkohol. Noch mehr als bei uns scheint der hier gerne mit guter Laune verwechselt zu werden und kann als Synonym für Party verstanden werden. Das Vorglühen, hier „pregaming“ genannt, ist so ausgefeilt dass man wirklich schon richtig betrunken ausgeht. Was nicht heißt, dass man dann nicht weiter trinkt…

Ich glaube, betrunken sein wird hier in ganz anderen Kategorien gehandelt. Ich habe bei einem Anlass ein wenig mitgetrunken (ein wenig heißt hier: deutlich weniger als die Mädels…). Und als mir schon deutlich schwindlig war ging es da erst richtig los. Autsch. Tatsächlich existiert eine ausgefeilte Skala des Betrunkenheitsgrads, auf der ich definitiv noch in den unteren Ebenen zu suchen war.

Danach ging es weiter zu einer weiteren Runde der Vorbereitung des Tanzengehens. Die angetrunkene Meute stürmt ein japanisches Lokal und bestellt japanisches Bier und Sake. Der kleine Sake-Becher wird dann mit Stäbchen über einem Bierglas aufgestellt, alle gemeinsam zählen bis drei (auf japanisch, versteht sich), rufen die magischen Worte die gleichzeitig dem Spiel seinen Namen geben: „Sake Bomb“, und hauen auf den Tisch. Danach wird das widerwärtige Gemisch heruntergestürzt. Überhaupt trinkt man hier viel starke Sachen und stürzt sie schnell runter. Das „es schmeckt doch gut“ Argument, das ich schon immer nicht ganz nachvollziehen konnte, ist hier offiziell fallen gelassen.

Das klingt jetzt alles ziemlich abwertend. Ich kann es mir nicht verkneifen, mit einem Bild zu demonstrieren, dass es mir so schlecht doch nicht gefallen hat. Ich weiß nicht, was ich bemerkenswerter finde, die zwei Mädchen oder meinen Gesichtsausdruck ;-)

Nachdem dieser Abend also eine interessante und auch schöne Erfahrung war, habe ich weiteren Alkohol verzichtet und zwischen Tanzen und Gesprächen wie gewohnt einen guten Platz gefunden. Wobei die Atmosphäre generell nicht so unterhaltungsfreundlich ist. Selbst in Lokalen, wo nicht getanzt wird, ist die Musik so laut, dass einem außer trinken eigentlich nichts zu tun übrig bleibt. Oder vielleicht soll das die Annäherung fördern, weil man sich die Sätze ins Ohr schreien muss?

Im Bereich zwischenmenschlicher Annäherung passieren nämlich auch eine Menge interessante Sachen hier. Jetzt habe ich aber schon so viel geschrieben, dass ich das nicht mehr in der gebührenden Ausführlichkeit schildern könnte. Hier seien nur verheißungsvoll die Worte „hookup“ und „homerun“ in den Raum geworfen und eine baldige Fortsetzung versprochen. Und auf meine Blog-Hauptseite verwiesen, wo ich einige politische Beobachtungen platziert habe. Ich bitte um Verzeihung für das Hin und Her, aber Ihr sollt mein „normales“ Blog sowieso auch lesen! :-)

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Essen in Kalifornien

Donnerstag, 4. September 2008 8:08

Es wird höchste Zeit für einen Beitrag, für den ich schon lange Material sammle, gar nicht anders kann als Material zu sammeln, in einem ganz wörtlichen Sinn: Meine Nahrungsaufnahme hier, und die der Menschen um mich herum.

Der typischer amerikanische Teil davon ist sicher mein Kantinen-Mittagessen im VA Hospital. Ich weiß mittlerweile, dass trotz der großspurigen Sprüche im Eingang die Veteran Affairs Hospitals nicht gerade für gute Versorgung berühmt sind. Entsprechend sind hier wohl eher die Leute, die nirgends anders hinkönnen, also im Wesentlichen wohl wirklich diejenigen, die im Krieg irgendwie unter die Räder gekommen sind. Mein Weg aus dem Büro in die Kantine ist damit immer wieder ein Ausflug in eine fremde Welt voller mitleiderregender Menschen. Überwiegend älter, aber teilweise auch junge Männer, die trotzdem alles andere als jugendlich unbeschwert aussehen.

Auch die Kantinenangestellten, von denen es eine Menge gibt und die vermutlich nicht viel verdienen, sind seltsame, lustige Leute. Ein junger Mann an der Burgerausgabe begrüßt mich schon am dritten Tag wie einen alten Bekannten und weiß was ich möchte (Pommes ohne Burger …). Eine nette ältere Asiatin an der Kasse fragt mich nach einer Weile, ob ich denn nicht bald eine richtige Anstellung bekäme. Denn das ist eine weitere Besonderheit meiner Arbeit hier: Für das VA Hospital bin ich ein „Volunteer“, ein Freiwilliger. Und muss jeden Tag meine Arbeitszeit in einem zentralen Computer eintragen und bekomme dafür einen Essensgutschein für 6 Dollar. Erstaunlich, wie sehr mich das freut, dafür dass es sich in einen Stundenlohn von ungefähr 80 Cent ($-Cent, wohlgemerkt) umrechnen lässt. Aber es fühlt sich irgendwie nach Anerkennung an. Und anscheinend ist dieses Volunteertum auch eine Art Warteschleife für richtige Jobs hier.

Das Essen jedenfalls ist hier wie das Vorurteil von Amerika: So ziemlich alles frittiert was geht. „Salat“ bedeutet ungefähr „Hühnchen auf Grünzeug“. Es wird überall eine „Healthy Joice“ angepriesen, aber das bedeutet auch Geflügel. Mein Glück ist: Es gibt auch ein Salatbüffet, und obwohl das meiste, was dort liegt, früher mal glücklich über eine Wiese lief (bzw. vermutlich nicht, aber jedenfalls laufen konnte), komme ich so an etwas Frisches. Danach hatte ich besonders am Anfang ein unglaubliches Verlangen inmitten all der fettigen Sachen, fast so schlimm wie in Spanien.

Ansonsten pendelte sich mein Mittagessen ziemlich schnell bei einem Standard ein, der fast alle Dinge kombiniert, die ein Veganer hier essen kann, und als veganes Gegenstück des „SchniPoSa“ bezeichnet werden könnte, das bei Freiburger Studenten anscheinend so beliebt ist, dass die Mensa es jeden Tag anbietet: Schnitzel mit Pommes und Salat, nur mit Falafel statt Schnitzel:

Ein bisschen ärgerlich ist, dass das Salatbuffet unglaublich teuer ist. Die scheinen die Dinge hier nach Vitamingehalt zu berechnen oder so, jedenfalls kostet der Teller Salat mehr als die anderen Sachen zusammen, und der Gutscheinbetrag erschöpft sich schnell.

Damit sitze ich dann in die Sonne, auf seltsame Tisch-Bank-Kombinationen wie im Kindergarten. Aber immerhin, es ist ein bisschen Grün in der Umgebung.

Und dann beobachte ich mit Staunen, wie schnell sich der Mensch anpasst. Am Anfang habe ich mich noch schrecklich gefühlt, mit Tellern und Schalen aus aufgeschäumtem Plastik zu hantieren und nach jedem Essen eine gute Portion Plastik in den Müll zu schieben, einschließlich Pastikbesteck und einzelne kleine Päckchen vom Ketchup. Aber irgendwie habe ich mich daran gewöhnt.

Der krassest denkbare Kontrast ist dann das Abendessen in der Community. Es wird jeden Abend gekocht, teilweise sind die Mietbewohner dafür eingeteilt, aber eigentlich macht es doch meistens Hilary. Wobei so richtig viel Aufwand scheint es nicht zu sein. Lecker ist das Essen hauptsächlich durch seine guten Zutaten, darüber hinaus ist es ziemlich effizient in einen Topf geschnippeltes Gemüse, mit Kartoffeln oder Reis oder Maiskolben, und eine „Proteinquelle“, z.B. Linsen. Überhaupt scheinen amerikanische Vegetarier sehr besorgt zu sein wegen Proteinen, Vegetarierprodukte werben sehr auffällig damit. Ich weiß nicht, ob es wirklich so gut ist, wenn jede einzelne Mahlzeit 100% des Tagesbedarfs an Proteinen deckt?! Jedenfalls steht jeden Abend ein warmes, ausgewogenes Essen bereit für alle, die Lust haben. Es gibt Salat mit einer Tahin-artigen Soße auf Sesambasis, sehr lecker. Was übrig bleibt wird am nächsten Tag zusätzlich aufgewärmt. In der Mikrowelle, für deutsche Ökos undenkbar, aber die ganze Strahlungssache, die bei uns so heiß diskutiert wird, wird hier ganz unbedenklich gesehen.

Die Zutaten des Community-Essens sind alle „organic“. Und sie sind alle abgelaufen. Teilweise kommen sie aus einem Biosupermarkt, mit dem die Leute hier eine Absprache haben und regelmäßig die alten Sachen abholen. Teilweise kommen sie vom „Farmer’s Market“, dem Wochenmarkt, wo wir von diversen Biobauern abholen, was sie nicht bis zur nächsten Woche aufheben könnten. Ich sage „wir“, weil ich da tatsächlich schon mehrmals dabei war. Neben dem Bäumegießen und allgemeiner Beteiligung hier im Haus gehört das zu meinen Beiträgen, mit denen ich das Essen und so gewissermaßen verdiene. Ich glaube ich habe schonmal erwähnt dass je nach Nutzung der gemeinsamen Dinge ein entsprechender Arbeitseinsatz erwartet wird, ein Konzept das mir sehr gut gefällt. Das folgende Foto gibt einen Eindruck von der reichen Beute, die wir machen:

Es ist schon ein komisches Gefühl zu wissen, dass diese Sachen alle in den Müll wandern würden, wenn wir sie nicht holen würden. Dieser Überfluss ist ja keine amerikanische Besonderheit. Aber von der besonderen Wertschätzung Nahrungsmitteln gegenüber, die glaube ich doch die meisten Deutschen meiner Generation noch in der Erziehung mitbekommen haben, ist hier allgemein nichts zu sehen.

Die Sachen, die wir essen, sind meistens noch top, auch wenn ich mich manchmal schon frage, ob Gemüse und so nicht doch schon viel von seinem Nährwert eingebüßt hat, wenn es so alt ist. In vielen Fällen (Bananen, Pfirsiche, Avocados) ist reifer aber sowieso besser, und ich fühle mich wie im Schlaraffenland. Darüber hinaus gibt es immer irgendwelchen Schnickschnack, der in kleinen Plastikbehältern im Biosupermarkt bestimmt ein Vermögen kostet normalerweise. Couscoussalat, Olivenpasten, Artischockencreme. Oder Chai-Schokoladen-Reisdrink, oder Mandelmilch. Und ich finde es ziemlich lustig, dass ich nie genau weiß, was es gibt. Es reicht jedenfalls immer für mein gewohnt üppiges (und oft mit exotischem Obst richtig dekadentes) Müsli, und ich nehme mir auch immer frische Sachen ins Büro mit.

Mit dieser Rundumversorgung kam ich noch gar nicht dazu, die anscheinend unglaubliche Auswahl an veganen Produkten in den Supermärkten hier zu testen, wurde aber schon mehrmals darauf hingewiesen. Insgesamt kommt mir die Gastronomie hier in der Gegend eher traditionell vor. San Francisco ist natürlich anders, das ist schon eine ziemliche Metropole des alternativen Lebens. Demnächst muss ich mal eine vegane Eisdiele in der Hippie-Ecke Height Street ausprobieren, die mir empfohlen wurde. Ja, San Francisco erobert mein Herz, und keineswegs nur wegen des Essens.

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Fahrradausflug zum Pazifik

Sonntag, 31. August 2008 8:30

Heute war ein verdammt schöner Samstag, ich muss eigentlich sagen: ein perfekter Tag. Mit einer ziemlich großen Gruppe Magic-Leute sind wir zum Pazifik geradelt. Hin und zurück ungefähr 100 Kilometer, zwei Mal ca. 3 Stunden, mit einem schönen Hügel dazwischen.

Ich muss zunächst die Ergebnisse der Erziehungsphilosophie hier bewundern: Die zwei achtjährigen Mädels machen die Strecke ohne Probleme, der kleinere Junge hat eine Art Tandem-Anhänger oder so, mit eigenen Pedalen, an einen Erwachsenen angehängt. Auch die „Alten“ sind alle sehr sportlich und flott unterwegs.

Die Strecke ist einfach wundervoll, durch verschiedenste Landschaften, von dichtem Redwoodwald bis hin zu kargem gelbem Ödland. Die Sonne scheint natürlich unerbittlich, aber es weht ein wohltuend kühler Wind vom Ozean her, und wir haben zum Glück lange Schattenstrecken auf dem Weg.

Hier sind ein paar Bilder von einer anderen Radtour, die ich vor ein paar Wochen alleine gemacht hatte, die selbe Strecke, aber nur bis zum Gipfel der Hügelkette und ein Stück dort den „Skyline Boulevard“ entlang, der diesen Namen wirklich verdient. Dort habe ich auch eine Straße namens „Clouds Rest“ entdeckt, wie romantisch, und so passend!

Erstaunlich, wie das Grüne sich im Kampf ums Überleben in der trockenen Umgebung behauptet!

Ein großer Teil der Strecke führt an den normalen Autostraßen entlang, aber ich bin immer wieder überrascht davon, wie wenig schlimm das hier ist. Die Luft ist sowieso immer frisch und toll, und genug Platz ist auch da auf der Straße. Mehr Spaß macht es natürlich trotzdem, kleine Sträßchen wie die „Old La Honda“ zu nehmen:

Das Radeln selbst ist in der guten Luft, die die meiste Zeit angenehm nach Zeder oder so riecht, eine richtige Wohltat, besonders im Kontrast zu dem lange Bürositzen, das mir inhaltlich immer noch unglaublich viel Spaß macht, aber von der Tätigkeit selbst her doch manchmal etwas Quälendes hat.

Und dann ist es auch schön, ein bisschen Zeit zum Gespräch zu haben. Von Jeff, dem vierten der alten Bewohner, mit dem ich bisher noch nicht viel gesprochen hatte, erfahre ich spannende Dinge aus der Community-Vergangenheit. Das Ganze ist wohl schon mal als „echte“ Kommune gestartet, in der man „Alles“ teilen wollte. Und „Alles“ bezieht sich dann auf die Dinge, die die Menschheit am meisten bewegen: Geld und Frauen. Ich sollte natürlich „Partner“, oder „Liebe“ oder „Sex“ oder so schreiben, aber in dem Fall war es am Anfang wohl eine Frau mit vier Männern. Unschwer auszumalen, dass das so gut nicht funktioniert hat. Ein bisschen erschrecke ich, ein ziemlich bitter klingendes „Christoph, let me tell you something: It’s not the nice men that get the women“ zu hören. Nachdem ich das in der Mittelstufe noch irgendwie ähnlich wahrgenommen hatte ist mein Erfahrung zum Glück mittlerweile doch eine Andere. Es sei denn, ich bin nicht (mehr) so nett wie ich glaube… :-)

Ein bisschen getrübt davon, dass eine gewisse Bitterkeit doch übrig geblieben scheint bei meinem netten Gesprächspartner, bin ich insgesamt doch beeindruckt davon, dass hier schon viel experimentiert wurde, und aus den Erfahrungen dann auch Schlüsse gezogen wurden. Es ist was dran am wissenschaftlichen Ansatz ;-)

Ein lustiges Erlebnis auf dem Weg ist ein „General Store“ mitten in der Wildnis. Der Besitzer scheint sehr liberal denkend, offen und politisch ausgesprochen demokratisch gesinnt zu sein. Der Laden verkauft wirklich so ziemlich alles, und ist außerdem Kneipe, Café, Ballsaal, … Eine lustige Liveband spielt Countrymusik, und die Postkarten im Laden sind nicht unähnlich denen im „Anarchist Bookshop“ in der Hippie-Straße Height Street in San Francisco, obwohl die Besucher überwiegend ältere Leute und das heftigste Klischee von Motorradfahrern sind. Die bevölkern die schöne Straße zur Küste nämlich auch zu Hauf mit den exotischsten und leider lautesten Gefährten, die man sich vorstellen kann.

Der Ozean selbst ist ein wahnsinniges Erlebnis, richtig kalter Wind, große Wellen, toller Strand mit Felsklippen im Rücken. Ich hoffe, bald Bilder nachliefern zu kommen, habe selber keine gemacht. Und er ist schon ganz schön kalt (das macht der Kalifornien-Strom, der leider noch keinen deutschen Wikipedia-Eintrag hat. Jo, wie wär’s?), aber nicht so kalt wie ich dachte, nachdem darum schon immer ganz schön Aufhebens gemacht wird. Es ist jedenfalls definitiv möglich, reinzuspringen und eine Weile in den Wellen zu tollen.

Alles in allem eine wohlverdiente Müdigkeit, der ich mich jetzt hingebe und ins Bett falle — bzw. springe, den ganz wie zu Hause ist das Bett hier ja eher oben…

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Donnerstag: Bäumegießen

Freitag, 29. August 2008 7:26

Ich liege gerade müde im Bett, wie jeden der letzten Donnersage. Das liegt am Bäumegießen, einer der Aktivitäten meiner „Community“, EcoMagic (anscheinend hat der Projektname übrigens eine ähnliche Geschichte wie der des Theaterprojekts Hall — jemand musste einfach schnell was sagen…).

Neben einer Art großen WG (oder einer Art undogmatischen Kommune oder was immer) ist „Magic“ nämlich eine Non-Profit-Organisation, die hauptsächlich zwei Arbeitsfelder hat. Das eine ist pädagogisch, und wird im Wesentlichen durch Kurse in Stanford und Gespräche beim Abendessen vorangetrieben. Es geht darum, die Idee der „ValueScience“ zu verbreiten. Gemeint ist, mittels Wissenschaft Fragen zu beantworten, die klassisch in den Bereich Werte und Ethik fallen. Ich persönlich würde eher „wissenschaftliches Denken“ sagen, aber hier besteht man darauf, auch das Wort Wissenschaft selbst aus dem zu engen akademischen Bedeutungsraum zu befreien. Die Grundidee ist, dass Werte im wesentlichen Vorhersagen darstellen, darüber was man haben möchte (bzw. was einen glücklich machen wird) und darüber, wie man das bekommen kann. Und Wissenschaft, so geht die Argumentation weiter, sei die einzige Methode die die Menschheit bisher entdeckt habe, um besser als zufällige Vorhersagen zu machen. In dem breiten Verständnis von Wissenschaft macht das durchaus Sinn, besonders für die Frage „wie kann ich das bekommen“. Wobei ich den Ansatz trotzdem ein bisschen naiv-rationalistisch finde. Und gleichzeitig den Eindruck habe, dass hier viele Dinge wie von ganz „normalen“ Alternativen aus sehr emotionalen Motiven heraus gemacht werden.

Das andere Arbeitsfeld könnte man im Wesentlichen als Anwendung dessen bezeichnen, was die Menschen hier durch ihre ValueScience als für sie bedeutsame Werte entdeckt haben. Und ein Teil davon ist ein Projekt, ein großes und sehr trockenes Hügelareal, das der Stanford Uni gehört, wieder zu begrünen. Dazu werden Eichen gepflanzt, die hier anscheinend sogar heimisch sind oder waren. Und die müssen dann zwei Jahre lang wöchentlich gegossen werden. Was bedeutet, mit einer Gruppe Freiwilliger loszuziehen und in großen Eimern Wasser vom Truck zu den kleinen Bäumen zu schleppen, weil die in der Wildnis des Naturschutzgebietes verteilt sind.

Für mich persönlich ist das zunächst mal eine schöne Gelegenheit, mich an der frischen Luft zu betätigen und mit netten Leuten zu plaudern. Wie sinnvoll diese Sache ist kann ich offen gestanden nicht wirklich einschätzen, und wie erwähnt bin ich nicht so ganz sicher, ob das wissenschaftliche Denken wirklich so weit geht, die Effekte dieser Aktion gründlich durchgerechnet zu haben. Ein weiterer wichtiger Grund, da mitzumachen, ist ebenfalls ganz pragmatisch: Es gehört zum Verständnis von Wechselseitigkeit, das hier gelebt wird. Die Miet-Bewohner hier dürfen alle Sachen im Haus benutzen und umsonst essen (dazu gibt es wirklich bald noch einen eigenen Beitrag!). Es wird erwartet, sich in Proportion dazu, wie intensiv man davon Gebrauch macht, im Gemeinschaftsleben und in Projekten einzubringen. Und weil ich sehr glücklich bin, hier jeden Abend ein veganes Bioessen gekocht zu bekommen versuche ich, bei solchen Sachen dabei zu sein.

Und abgesehen von dem allem ist es einfach wundervoll, unter solch einem Abendhimmel draußen zu sein:

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Bootie — meine erste Nacht in San Francisco

Donnerstag, 21. August 2008 7:38

Eine gute Woche ist jetzt mein erster Ausflug nach San Francisco her. Mit drei der anderen jungen Bewohner hier war schon die Dreiviertelstunde im Auto sehr unterhaltsam. Und dann ging es auf ins wilde Leben. Die Initiatorin des Ausflugs hatte eine gute Wahl getroffen: Wir waren beim fünfjährigen Jubiläum von Bootie. Es geht um Mashup, Bastard Pop und Bootleg. Auf deutsch: verschiedene bekannte Poplieder werden zusammengemischt, in wilden Kombinationen. Hat den Vorteil, dass man die Lieder kennt und trotzdem nicht so leicht gelangweilt ist. Die zwei DJs, die auf der Bühne performt haben, anscheinend trotz wildem Auftreten ein verheiratetes Paar, waren jedenfalls verdammt gut. Darum herum eine Tanzshow, die durchaus unterhaltend war. Sehr transvestitenlastig, und nicht immer appetitlich. Aber von Organisatorenseite durchaus rund. Hier eines der schöneren Bilder:

Das Publikum war gemischt und lustig. San Francisco macht seinem Ruf als Homo-Hauptstadt alle Ehre, als erstes springen einem viele süße Jungs ins Auge. Daneben – denkbar kontrastreich – fielen mir eine Reihe amerikanischer Pärchen wie aus dem Bilderbuch auf: Er groß mit kurzen Haaren, sportlich, hat vermutlich ein Football-Stipendium an irgend einer tollen Universität, im Blick etwas Starres, irgendwo zwischen Jäger und Soldat. Bewegt sich wenig. Daneben eine deutlich kleinere blondgelockte Schnitte, die ihn unermüdlich sexy hüftschwingend antanzt und zwischendurch knutscht. Und um das Ganze eine Art unsichtbare Barriere, die beiden isoliert von der Umgebung. Darum herum verschiedene Grüppchen, so wie wir, aus unterschiedlichen Szenen. Vielfältig, aber durchweg ziemlich hip angezogen. Ich hatte auch das erste Mal das Vergnügen, einen der Typen, die vermutlich immer die Super Size Menüs bei McDonalds essen, tanzen zu sehen. Offen gestanden schon ein wenig abstoßend, vor allem weil er mit seinem Fett-Sein und seinen „Brüsten“ ziemlich offensiv umging. Aber insgesamt trotzdem eine angenehme Ausstrahlung von Lebensfreude, und eine Gelegenheit mehr, meine Voreingenommenheiten zu überdenken.

Wir sind halbwegs früh nach Hause, hatten ja auch nochmal eine lange Fahrt vor uns. Trotzdem ein ziemlich perfekter Samstag Abend. Und ein Einstieg ins Nachtleben, das ich letzten Samstag um noch eine ganz andere Facette erweitern sollte… Aber dazu später ;-)

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Ecomagic — Leben in der Community

Freitag, 15. August 2008 7:31

Ich bin noch nicht mal zwei Wochen hier in 381 Oxford Ave, Sonntag vor zwei Wochen bin ich eingezogen, und es fühlt sich schon viel länger an. Naja, alles hier fühlt sich gerade viel länger an als es ist, und ich fühle mich auch eigentlich jeden Abend als hätte ich eine ganze Arbeitswoche hinter mir. Dennoch ist das „ich-bin-schon-lange-hier“-Gefühl in der „Community“ noch mehr. Ich fühle mich mittlerweile richtig zu Hause hier. Die oben schon verlinkte Karte auf Google markiert mein Haus, und zeigt links davon den riesigen Stanford-Campus, ganz unten rechts in auffälliger Form das VA Hospital, wo ich zum Arbeiten in strammen 20 Minuten hinradle, und links unten das Gelände um den „dish hill“, wo wir regelmäßig Bäume gießen – dazu später mehr. Die folgenden Bilder zeigen mich in meinem kleinen (wirklich kleinen!) Zimmer, am ersten Abend stolz vor dem eingeräumten Schrank und im kühlen Licht des ersten Morgens, noch sehr müde. Zwischen Spiegel und Bett ist ziemlich genau eine Bettlänge mal Türbreite schöner alter Parkettboden, haarscharf genug für den Yoga-Morgengruß, und das war’s.

Die Zusammensetzung der WG ist sehr interessant. Da sind zum einen die vier „Alten“, zwei Männer und zwei Frauen, denen die Sache gehört, die das zur Community gehörige Projekt EcoMagic leiten und ein gewisses Hippie-Kommunen-Gefühl ausstrahlen. Da wird z.B. die Türe offen gelassen wenn man aufs Klo geht. Außerdem sind da die drei Kinder, Zwillingsmädchen von 9 und ein Junge von 4 Jahren. Ich weiß zwar mittlerweile, dass die eine Frau die Mädels und die andere den Jungen zur Welt gebracht hat (mich hatte schon vor der Abreise ins Schmunzeln gebracht, dass auf der Homepage bei beiden Frauen „ist eine Mutter für“ in Bezug auf alle Kinder stand). Aber wie sonst die Elternschaft verteilt ist, ist undurchsichtig.

Die Kinder entsprechen ziemlich dem Klischee der antiautoritären Erziehung, sind unglaublich quirlig und neugierig, und machen grundsätzlich erstmal was sie wollen. Ich musste mich erst daran gewöhnen, bei Gelegenheit klar und deutlich nein zu sagen. Aber das klappt dann auch ziemlich gut, und es ist allgemein ein sehr großer Respekt vor dem privaten Zimmer da. Das ist auch echt wichtig bei der Menge Leuten, die hier eng aufeinander wohnen.

Neben dieser Kerngruppe sind da nämlich noch ungefähr zehn Leute, die zwischen vier Jahren und einem Monat hier sind. Das sind großteils Stanford-Studenten oder Doktoranden, aber einige gehen auch einer „echten“ Arbeit nach. Alle sind natürlich irgendwie verrückt und besonders, sind entweder sehr ökologisch oder sehr alternativ oder sehr extravertiert, und dadurch für das Leben in der Community qualifiziert. Auf jeden Fall ist jeden Abend jemand zum Plaudern da, ein sehr wertvolles Gefühl, nachdem ich doch überwiegend alleine vor dem Computer sitze tagsüber.

Das Plaudern ist auch immer interessant und anregend, aber bleibt im Moment doch Plaudern. Und das ist auch ein Punkt, wo mir wieder bewusst wird, was eine so eingeschworene WG wie meine zu Hause wert ist. Wo sich einfach jedes Zimmer so vertraut anfühlt wie mein eigenes. Wo ein Gespräch direkt mit Dingen anfangen kann, die einen ganz tief beschäftigen. Und dazu ein Land, wo die richtige Antwort auf die Frage „how are you?“ nicht ist: „How are YOU?!“ (Tatsache, man hält sich hier oft nicht mehr damit auf, das obligatorische „fine“ überhaupt auszusprechen, und auf die Gegenfrage erwartet man überhaupt keine Antwort). Wobei sogar das hier in der Community ein bisschen anders ist.

Naja, genug in schönen Erinnerungen geschwelgt. Es wäre noch viel zu erzählen, von der interessanten Organisation des Alltags und besonders der Mahlzeiten hier, von der Arbeit mit der Community, von meiner ersten coolen Party in San Francisco, auf die ich mit einigen jungen Leuten von hier gefahren bin. Aber ich muss schlafen, und habe die durchschnittliche Internet-Lesespanne wohl ohnehin schon ziemlich strapaziert. Deshalb lasse ich ein letztes Bild mehr als tausend Worte über die idyllische Umgebung sagen. Das ist in der Sofaecke auf der Terrasse vor dem Haus. Oh, über das dicke rote Buch, das ich da in der Hand habe, werde ich auch noch mehr schreiben, das ist eines der unterhaltendsten, spannendsten Bücher in Jahren! To be continued …

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Die Arbeit – erste Woche

Dienstag, 12. August 2008 7:51

Eine Arbeitswoche liegt jetzt hinter mir, ein guter Zeitpunkt für eine erstes Résumé. Obwohl Tom Roth ein Professor an der Stanford Medical School ist hat er Büros und Labore im „VA Hospital“, so die landläufige Abkürzung des „Veterans Affairs Palo Alto Health Care System“. Das Gelände mutet ziemlich militärisch an, es gibt eine eigene Polizei auf dem Gelände, und andere Praktikanten haben schon gewaltig Ärger bekommen, weil sie Fotos gemacht haben… Trotzdem ein Schnappschuss aus meinem Fenster, der einen ganz guten Eindruck von der Wüstenstimmung gibt, die da herrscht:

Das Militärische und Veteran-Sein nehmen auch sonst einen großen Raum ein. Interessant ist z.B. ein großes Bronzekunstwerk vor dem Haupteingang, das einen Adler darstellt, der mit einer Schlange ringt, mit einem Schriftzug darunter, ein Zitat von Abraham Lincoln voller Pathos: „To care for him who shall have borne the battle and for his widow, and his orphan.“

Veteranen sind im Übrigen wirklich kein schöner Anblick, und ich bin fast froh, dass mein Visum keinen Patientenkontakt erlaubt. Und staune und kann es nicht recht fassen, wie man mit diesem Gesicht des Krieges berufsmäßig konfrontiert sein kann, und trotzdem Krieg richtig finden. Naja, wahrscheinlich erklärt die gute alte Dissonanztheorie das alles: Eine Sache, für die man so große Opfer gebracht hat, kann man unmöglich falsch finden.

Ich bin jedenfalls ganz froh, dass der schlimmste Aspekt meiner Arbeit ist, Nachmittags den Rolladen schließen zu müssen, um nicht im Büro gegrillt zu werden. Wobei das nicht wenig schlimm ist, wenn die Sonne draußen so lacht und man drinnen in Neonröhrenlicht neben einer brummenden Klimaanlage sitzt. Vormittags versuche ich so lange wie möglich das Tageslicht reinzulassen:

Und ich sollte mich echt bemühen, früher in der Arbeit zu sein, und dann Nachmittags an die Sonne zu gehen statt sie abzuschirmen.

Die Arbeit selbst war in der ersten Woche sehr abwechslungsreich und lehrreich. Ein bisschen Literaturrecherche sowohl zu inhaltlichen Dingen als auch methodisch, worüber ich dann gleich eine kleine Präsentation im „lab meeting“ zu halten hatte. Und dann ging es ans MATLAB-Programmieren. Ein bisschen wie ein angestaubter Verwandter von R, das sich mittlerweile zu meiner Lieblings-Statistiksoftware entwickelt hat. Naja, viel Konkurrenz gibt es ja nicht.

Jedenfalls lerne ich die Sache sehr fix. Und gerate in zwei innere Konflikte. Erstens schwanke ich hin und her zwischen einer sehr kindlichen, reinen Freude an den abstrakten Spielereien und Gedankenwindungen, die da nötig und möglich sind einerseits, und dem Bewusstsein dass das alles irgendwie leer ist, ein Spiel eben, und dass alles was ich nach einem anstrengenden Arbeitstag produziert habe ein paar andersrum gedrehte Magnete auf einer Festplatte sind. Zweitens hat Tom heute die ersten Bücher aus dem Zimmer der Doktorandin zu mir gebracht, mit Aufgaben die eigentlich sie machen sollte. Und sie scherzt, dass ich sie bald ersetze. Was natürlich Quatsch ist, aber eben auch nicht nur Spaß. Und ich befürchte, dass ziemlich bald der Punkt kommt, wo meine Freude, die Sache gut zu machen, mit Loyalität gegenüber einer freundlichen Helferin, und möglicherweise einem guten Arbeitsklima, in Konflikt gerät.

Naja, ich warte mal ab, und bin gespannt auf die weiteren Dinge. Ein bisschen handwerkliches Geschick wird wohl bald von mir verlangt werden, wenn Geräte für eine neue Studie modifiziert werden sollen, wozu man löten muss. Ansonsten werde ich wohl immer tiefer in die Datenberge graben. Ob ich vielleicht tatsächlich noch dazu komme, selber ein Paper über die Sachen zu schreiben, die da zu Tage gefördert werden?

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Foothill Lane

Dienstag, 12. August 2008 6:40

Hier ein kleiner Rückblick über meine ersten Tage, zu Gast bei Prof. Tom Roth und seiner Familie in einer wunderschönen, wenn auch (oder gerade weil) etwas abgelegenen Gegend, wie der Straßenname verheißt am Fuße eines Hügels (hier zur Orientierung eine Karte des Wegs von der Wohnung zur Arbeit). Wie Tom mit einem gewissen Sarkasmus anmerkt handelt es sich um ein ziemlich nobles Viertel, die Häuser groß und weit auseinander, viele dicke Autos. Aber anscheinend ethnisch trotzdem durchmischt, die Zeiten in denen in Amerika nur Weiße richtig reich waren sind wohl vorbei. Vor allem Asiaten holen auf.

Was die Bewohner des Hauses angeht bedeutet „Familie“ Tom selbst, seine sehr fürsorgliche und freundliche Frau und eine Doktorandin aus Dresden, die dauerhaft dort untergekommen ist. Sie hat mich auch vom Flughafen abgeholt und seither kräftig unterstützt, beim Einleben genauso wie mit Bürokratie und bei der Arbeit.

Der erste Abend, noch etwas Jetlag-benommen, war gleich ein bunter Familienabend mit dem Sohn der Roths und dessen Frau und Kindern. Sehr schön fand ich eine Familientradition, dass alle in aufsteigender Altersreihe ihre „news“ erzählen. Das hat sich dann in ein ziemlich fachliches Gespräch mit Tom und seinem Sohn entwickelt, der ebenfalls Psychologe ist.

Leider habe ich wenig Bilder aus dieser Zeit, aber mein erstes Erwachen war so schön, dass ich es gleich festgehalten habe: Irgendwann schien mir herrliche kalifornische Sonne ins Gesicht, und es zeigte sich dass sie mich wirklich ganz gezielt aufgesucht hat:

Der Blick vom Bett in die entegengesetzte Ecke zeigt mein Reisegepäck, erst in meiner „richtigen“ Wohnung ganz ausgepackt, vor einer der vielen imposanten Bücherwände im Haus. Sie sind gefüllt mit interessanten Sachen, ich wüsste gerne wie viel davon er tatsächlich gelesen hat.

So stellt man sich die Wohnung eines älteren Professors vor, und auch seine Gewohnheiten und Interessen passen perfekt ins Bild. Es wird regelmäßig Tageschau geschaut (ja, auf deutsch), außerdem norwegische Nachrichten. Das sind nur die meistgepflegten von mehreren Fremdsprachen, die Tom wohl beherrscht. Seine Begeisterung für Sprachen kommt mir sehr zu gute, von Anfang an korrigiert er Fehler in Grammatik und Aussprache und ist auch immer für ein „warum ist das so“ offen, das natürlich leicht ins Philosophische führt.

Die ersten Tage flogen ansonsten mit allerlei organisatorischen Zeug förmlich vorbei. Ohne Auto oder Fahrrad bekam ich die Weite des Landes besonders zu spüren. Weil ich aber zum Glück nicht wirklich Eile hatte konnte ich es durchaus genießen, wie hier mal eine Stunde auf den Bus zu warten:

Ich war wirklich wehmütig, als ich am Sonntag (vor gut einer Woche also) aus dem gemütlichen Haus ausgezogen bin. Zu angenehm und lehrreich war das Zusammenleben mit Tom und Familie gewesen. Und meine „community“ hatte sich auf den ersten Besuchen als sehr bunt, durchaus ins chaotische neigend, präsentiert. Zum Glück stellte sich heraus, dass der Kontakt mit Tom auch auf der Arbeit sehr persönlich und informell ist, und dass die WG durchaus auch zur Ruhe kommen kann. Und außerdem viel überschaubarer ist, wenn man sich ein paar Namen gemerkt hat.

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