Kalifornien II — Community Life

Der zweite Teil der Kalifornienzeit war spürbar anders als der erste. An die Stelle des Hauses mit deutlich mehr Zimmern als Leuten an der Bay trat die enge Kommune in Palo Alto. Schon die Fahrt mit Cindy zum Flughafen war sehr emotional, Abschied und Aufbruch, und vom passenden Himmel untermalt:

Besonders gefällt mir da das Zusammentreffen von natürlicher Schönheit und menschlicher Arbeit, vermutlich ein ganz gutes Motto für die bevorstehende Zeit. Und bevor ich mich recht versah saß ich in „Magic“ im Wohnzimmer neben dem Futon, wo ich die nächsten Nächte verbringen würde.

Ansonsten fasse ich mich so kurz wie möglich, weil ich gleich auch noch was zu Indien schreiben will, aber diese Etappe noch kurz dokumentieren wollte. Ein netter Fahrrad-Reisender, den ich in Magic getroffen habe, hat auf seinem Blog schöne Bilder, denen ich fast nichts hinzuzufügen habe, und auf meinem eigenen alten Stanford-Blog finden sich auch noch Hintergrundinfos.

Besonders gut getan hat mir, fast jeden Tag mit den Magic-Leuten Sport zu machen, etwas worauf sie offensichtlich viel Wert legen. Barfuß Laufen um den traumhaften Rasen eines Stanford-Uni-Fußballfeldes, in die trockene Luft mischt sich der Geruch von Eukalyptusbäumen. Bei Sonnenuntergang im beheizten Freibad der Uni schwimmen, wo statt Chlor anscheinend Brom verwendet wird, was traumhaft salzig schmeckt und sich irgendwie gesünder anfühlt (aber am Ende auf der Haut doch genauso stinkt). Nicht zu vergessen natürlich Yoga (auch wenn mir das in den USA immer ein bisschen zu sportlich vorkommt), das Radfahren als Transportmittel, und Meditation. Und ein abenteuerliches „Deck“ voller Maschinen, ich habe besonderen Gefallen am Rudern und an der Langlaufmaschine gewonnen, letzteres vielleicht auch mit einer gewissen Wehmut wegen des großteils verpassten Winters.

Auch was das Essen angeht ein dramatischer Wechsel von den ausgesuchten veganen Delikatessen, die sich Cindys Mutter jeden Abend überlegt hat, zu großen Töpfen mit ungewürztem, ungesalzenem Gemüse (allerdings auch bio und abwechslungsreich, und immer mit feinem Getreide und Hülsenfrüchten).

Es ist immer schön, mit einigem Abstand nochmal wohin zu kommen, und dieses Mal habe ich mehr von den kritischen Seiten mitbekommen, besonders was die Erziehung der Kinder angeht — auf eine subtile Art sehr leistungsorientiert, und auch recht dogmatisch. Ich hatte auch spannende Diskussionen beim Abendessen über die zentrale Ideologie dort, „ValueScience“, also die Idee dass wissenschaftliche (und hier im Kern als naturwissenschaftlich gemeinte) Methoden auch für Fragen nach Werten, also dem „richtigen Leben“ die besten sind. Vor dem Hintergrund, dass ich mich in letzter Zeit viel mit der narrativen Konstruktion unserer Realität beschäftigt hatte natürlich heiß. Aber auch bei Widersprüchen, und auch wenn bestimmt nicht alles perfekt ist, habe ich mich dort sehr wohl gefühlt, und ich spüre bei allen Leuten dort eine aufrichtige Suche nach einem guten Miteinander und einem guten Leben. Und auch wenn ich mir manchmal wünsche, dass sie mehr andere Perspektiven zulassen würden, kann ich Ihre Bestimmtheit auch verstehen. Welcher andere Mensch in dem Lebensabschnitt fragt sich überhaupt noch, ob der eigene Weg der richtige ist? Und auch unserer Mehrheitsgesellschaft steckt voller Widersprüche, die offensichtlich werden wenn man einen gewissen Abstand gewinnt.

Die Kinder scheinen jedenfalls fröhlich und aufgeweckt, und sogar der sechsjährige Harper hat mittlerweile bei aller überschäumenden Energie ein Verständnis für die Bedürfnisse Anderer, das mich echt erstaunt hat. Hier noch ein Bild mit einer der Töchter, und vom Mulchen der jungen Eichen auf dem „Dish Hill“ bei Stanford, einer meiner alten Lieblingsaktivitäten. Zählt auch als echter Sport, und es finden sich immer spannende Leute dort, von Schülern deren Schule ehrenamtliches Engagement fordert bis hin zu hochmotivierten Geschäftsleuten mit offenem Geist, die es in Palo Alto im Überfluss zu geben scheint.

Ich mag den Ausblick da oben sehr, die karge Natur in die sich immer wieder technische Artefakte mischen.

Auch sonst habe ich gerne und viel mitgearbeitet, aus Ziegeln einen Stellplatz gelegt und einiges an Sträuchern umgemacht (leider ohne Fotos). Und ich kann nicht genug kriegen von dem Markt, großteils bio, wo Magic von vielen Farmern die Reste einsammelt und teils selbst verwendet, teils an eine Organisation weitergibt, die Armenspeisung damit machen. Hier als Beispiel die Flut perfekt reifer Orangen:

Ich mag es manchmal sehr gerne, etwas zu arbeiten, an dessen Ziel ich kein so großes Interesse habe, und mich einfach dem Tun selbst zu überlassen. Und so ist auch hier die Zeit verflogen, und ich saß im Flugzeug mit über 20 Stunden Reisezeit vor mir.

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Datum: Samstag, 5. Februar 2011 7:38
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