Klimawandel — die Macht des Zweifels
Ein NYTimes-Artikel über das angeschlagene Image der Klimaforscher ist eine schöne Gelegenheit, einen wiederkehrenden Gedanken der letzten Zeit festzuhalten: über die spannende Rolle des Zweifels im modernen Diskurs.
Traditionell ist man geneigt, das Zweifeln als eine Tugend anzusehen, es ist in der Vorstellung fest mit der Aufklärung verbunden. Und nun tritt — meiner Meinung nach — der Zweifel immer öfter als reaktionäres Element in Erscheinung, was mich zunächst verstört hat. Ich denke, das liegt an den Folgen, die wir für unser Handeln ziehen, wenn eine Sache in Zweifel gezogen wird. Das aufklärerische Ideal ist ein wissenschaftliches Hinschauen, kritische Reflexion auf der Basis von empirischen Erfahrungen, und eine fundierte neue Entscheidung.
Was in der übermäßig komplexen modernen Welt dagegen oft passiert ist ein resigniertes Wegschauen, „ich kann es ja eh nicht wissen“, und — das ist der Knackpunkt — ein Handeln im Sinne des geringsten Widerstands. Am Beispiel Klimawandel sieht das so aus:
Die Experten sind sich nicht einig, bzw. sah es eine Weile so aus, als wären sie. Aber dann wird ihr kollektives Werk in Frage gestellt, da sind Unsauberkeiten, Mauscheleien, Interessenkonflikte, vielleicht sogar eine Verschwörung. Wie also soll ich als kleiner Mensch mit begrenzter Zeit und Klugheit wissen, was dran ist an der Klimawandel-Sache? Solange ich es aber nicht weiß, strenge ich mich lieber nicht unnötig an und schränke mich ein, um einem Klimawandel abzuhelfen, der vielleicht gar nicht kommt.
Und damit wird der Zweifel zum Agent der Nicht-Veränderung. Des Althergebrachten, des Einfachen, des Egoistischen.
Dass dieser Zweifel sich nicht immer ganz von alleine einstellt, ist auch klar. Aber welches schockierende Ausmaß das Geschäft mit dem Zweifel mittlerweile angenommen hat, ist mir erst auf einer kleinen Internetrecherche klar geworden. Sehr empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang der Artikel „Doubt is Their Product“, der 2005 im Scientific American erschienen ist. Dort liest man zum Beispiel nebenbei von „Product Defense“ Firmen, die gezielt wissenschaftliche Evidenz verzerren, um gesetzliche Regulierungen bestimmter Produkte zu vermeiden oder zu verzögern — einige „Erfolgsgeschichten“ im Artikel. Und dort bin ich auch wieder auf ein Zitat aus der Tabak-Lobby von 1969:
Doubt is our product since it is the best means of competing with the ‘body of fact’ that exists in the mind of the general public.
Alles in Allem bin ich geneigt, die Verschwörung im Falle des Klimawandels wenn überhaupt auf der anderen Seite zu vermuten. Aber es fällt mir schwer, bezüglich des Umgangs mit Zweifeln und Unsicherheiten allgemein eine Empfehlung auszusprechen. Vielleicht fällt ja jemandem dazu was ein?
Samstag, 13. März 2010 23:48
hmm, ne lösung ist mir da nicht bei der hand, kenne das problem, betrifft mich derzeit sehr! Bin da cuh lost in postmoderne. Aber die Freiheit zu zweifeln ist schon wertvoll an unserer zeit.