Deutsche „Homeschooler“ in Asyl in USA

Das sind Nachrichten, die mich zuerst denken ließen, ich hätte mich verlesen: Ein deutsches Ehepaar hat gerade von einem amerikanischen Gericht das Asylrecht zugestanden bekommen. Die Begründung, wie es sich gehört: Sie müssten in ihrem Herkunftsland Verfolgung befürchten. Aufgrund ihrer religiösen Ansichten und Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Das ganze riecht nach einer spannenden Fallstudie im Spannungsfeld zwischen staatlicher Verantwortung und persönlicher Freiheit.

Zunächst ist spannend, dass vielleicht sogar mehr als die betroffenen Eltern eine Interessengruppe hinter dem Prozess steckt: die amerikanische „Home School Legal Defense Association“, die auch in Deutschland und Europa schon (vergeblich) Prozesse unterstützt hat, bis hin zu einer abgewiesenen Petition an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Weiterhin interessant die deutsche Argumentation für die Praxis der Schulpflicht, hier aus dem Artikel in der NYTimes zitiert: „foster social integration, ensure exposure to people from different backgrounds and prevent what some call ‚parallel societies.‘“

Vor dem Hintergrund, dass es sich in der Regel um Angehörige radikal-christlicher Minderheiten handelt, die ihre Kinder lieber nicht in den normalen Schulen (einschließlich bestehender Alternativen, zu denen auch anerkannte konfessionelle Schulen gehören) sehen wollen, finde ich diese Sorge durchaus gerechtfertigt. Und entsprechend haarsträubend die Begründungen der Eltern: „the unruly behavior of students that was allowed by many teachers had kept his children from learning. The stories in German readers, in which devils, witches and disobedient children are often portrayed as heroes, set bad examples, he said.“

Da finde ich den Vorwurf der religiösen Verfolgung schon recht weit hergeholt. Es scheint mir wichtig, zwischen der Religion selbst und aus ihr heraus begründeten Handlungen zu unterscheiden. Ist sicher auch nicht ganz sauber, weil das durchaus elementare Bestandteile einer Religion sein können. Dennoch darf demnach jeder zunächst mal glauben und denken was er will, aber was er tut muss eben an einem für alle gleichermaßen gültigen, umfassenden rechtlichen Rahmen gemessen werden. Zu dem z.B. gehört, dass aus Tierrechtsgründen das Schächten derzeit eingeschränkt ist. Der Fall zeigt, was für Spagate da gemacht werden, denn Juden dürfen derzeit in Deutschland schächten — es wird als „objektiv“ anerkannt, dass es für ihre Religion essenziell ist, während die offizielle Religionsauslegung des Islam wohl auch mit einer elektrischen Betäubung zu vereinbaren ist.

Vor dem Hintergrund solcher Debatten ist der „Homeschooling“-Fall für mich leicht zu entscheiden: Die Lehrinhalte und –formen der deutschen Schullandschaft sind so elementar, dass sich zu Recht dem Vorwurf des Fundamentalismus aussetzt, wer an ihnen weltanschaulich motivierten Anstoß nimmt. Und macht damit gerade deutlich, dass es wichtig ist, dass seine Kinder auch mal was anderes hören, als was die Eltern zu Hause sagen.

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Datum: Montag, 1. März 2010 17:47
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2 Kommentare

  1. 1

    Schade, dass Sie sich allein auf einen doch etwas einseitig darstellenden Artikel von Tristana Moorw in der NY Times beruhen. Frau Moore schreibt auch gerne für das deutsche Bildungsministerium.
    Richtig ist, dass die verschiedensten Modelle des Homeschooling Bildungskonzepte sind, die durchweg mehr als die Regelschule vermögen. Das ist wissenschaftlich erwiesen und stützt sich auch z.B. durch die Angaben aller Fernschulen. Von daher geht es nicht um Vermeidungskonzepte, sondern um Verbesserungskonzepte, die übrigens auch Deutschland als Optionen gut täten.

  2. 2

    Vielen Dank für den interessanten Kommentar — es ist richtig dass ich nicht selbst weiter recherchiert habe und mit nur einer Quelle mein Artikel einseitig bleiben muss.

    Auch wenn ich sicher bin, dass entsprechende Studien mit großen methodischen Problemen zu kämpfen haben (zu unterschiedlich in potenziell wichtigen Eigenschaften werden wohl die zu vergleichenden Gruppen der Eltern und Kinder sein), glaube ich, dass von einem rein inhaltlichen Standpunkt Homeschooling durchaus erfolgreicher sein kann als die Regelschule.

    Allerdings denke ich, dass andere pädagogische Ziele, etwa Kontakt mit der Meinungsvielfalt der modernen Welt, Kompetenzen in der Interaktion und Auseinandersetzung mit anderen Meinungen und sozialen Gruppen, auf der Strecke bleiben. Und sehe damit die Gefahr der Entstehung von „Parallelgesellschaften“ als sehr real an.

    Abgesehen davon ist es interessant, dass die Argumente der Homeschooler selbst, soweit ich sie kenne, in der Regel Negativargumente sind. Das heißt, „Ich will nicht, dass mein Kind mit X konfrontiert wird“, anstatt „Mein Kind soll mehr/Besser Y“.

    Schließlich sehe ich nicht, wie aus der Bewegung ein Impuls erwachsen soll, der Deutschland insgesamt „gut täte“.