Der kleine Widerstand
In der Süddeutschen Zeitung hat Heribert Prantl einen schönen Kommentar zu den Demonstrationen in Gorleben geschrieben. Abgesehen von der verdienten Würdigung des jahrzehntelangen Engagements der Menschen dort findet sich ein interessanter Absatz zur Sitzblockade:
Aber man darf bei dieser Gelegenheit den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1995 in Erinnerung rufen: Sitzblockaden sind keine Gewalt, Sitzblockaden können seitdem nicht mehr als Nötigung bestraft werden. Dieser Beschluss — er erging damals zu den Demonstrationen gegen die Nachrüstung — war und ist so etwas wie die Magna Charta der Zivilcourage.
Er besagt für Gorleben: Wer sich auf Schienen und Straßen setzt, ist allein deswegen noch nicht kriminell. Er macht sich möglicherweise, wenn ein wirksames Demonstrationsverbot verhängt worden ist, einer Ordnungswidrigkeit schuldig: Die Geldbuße dafür kann und muss er ertragen. Aber: Er ist nicht kriminell.
Seit 1995 hat ziviler Widerstand die Achtung der Rechtsordnung. Der verstorbene große Rechtsphilosoph Arthur Kaufmann hat einmal davon gesprochen, dass der „kleine“ Widerstand beständig geleistet werden muss, „damit der große Widerstand entbehrlich bleibt“.
Die Anspielung auf den „großen Widerstand“ mag in diesem Zusammenhang etwas pathetisch klingen. Ich denke es ist trotzdem wichtig, sich zu erinnern dass Demokratie ein gewisses Maß an Engagement braucht für Dinge, die in einem größeren Zusammenhang stehen als das eigene private Leben. Zu einer solchen Kultur trägt der Atomkraftprotest sicher bei. Abgesehen davon, dass die inhaltliche Botschaft auch sehr wichtig ist: „Es gibt kein Konzept für die sichere Entsorgung des Atommülls.“