Mehr Schlafen
Ein sehr schöner Aspekt des Lebens hier in „Magic“ sind die gemeinsamen Abendessen, und besonders die buntgemischten Gäste, die oft auftauchen. Alternativ gesinnte Reisende aus aller Welt, aber auch ideologisch weit entfernte Menschen wie ein ehemaliger Pharma-Forscher, der jetzt in einer Venture Capital-Firma ist, teilen sich spärlich gewürzte Bio-Wochenmarkt-Abfälle.
Vor einer Weile hatte ich ein spannendes Gespräch mit einer Biologin und Psychologin aus Stanford, die dabei ist sich mit einer Schlaf-Beratungsfirma selbständig zu machen. Anscheinend erzielt sie erstaunliche Resultate mit Sportlern, indem sie ihren Schlaf optimiert. Und dabei ist das Optimieren gar keine so komplizierte Sache. Der erste und wichtigste Punkt ist: mehr schlafen. Von meiner fürsorglichen Mutter ohnehin regelmäßig ermahnt, das Schlafen nicht zu vergessen, hat mich das so schnell nicht mehr losgelassen. Nicht nur behauptet sie, dass ein normaler Mensch um wirklich gut zu funktionieren ca. 9,5 Stunden Schlaf braucht. Sie sagt auch, dass wir alle mit einem dicken Schlafdefizit herumlaufen, das man sich wirklich wie ein Minus auf dem Konto vorstellen muss, und das Monate braucht um abgebaut zu werden. Dazu lässt sie die von ihr gecoachten Sportler mindestens 10, besser 12 Stunden pro Nacht schlafen. Der Effekt ist eine kontinuierliche Verbesserung in vielen körperlichen und geistigen Leistungsmaßen, bis irgendwann ein neues Plateau erreicht ist.
Ein NYTimes-Artikel hat mich jetzt nochmal mit dem Thema in Berührung gebracht. Zunächst wird eine Beobachtung bestätigt, die ich selbst gemacht habe: Die Schlaffeindlichkeit, die vermutlich tatsächlich alle industrialisierten Kulturen gemeinsam haben, ist hier in Amerika und besonders unter den „High Performern“ in Wirtschaft und Wissenschaft noch mal einen Tick schärfer:
Corporate culture reveres the e-mail message sent at 3 a.m., the executive who rushes directly into a meeting from a red-eye flight. Bumper stickers offer an updated version of Franklin’s dictum: “I’ll sleep when I’m dead.”
“There is a cultural bias against sleep that sees it as akin to shutting down, or even to death,” explains Dr. Jeffrey Ellenbogen, a neurologist at Harvard Medical School and director of the Sleep Laboratory at Massachusetts General Hospital.
Der Trend scheint sich etwas zu ändern. Denn es scheinen immer mehr Verbindungen besonders zwischen Schlaf und Kreativität aufgedeckt zu werden. Das Problem ist, dass im Gegensatz zu früheren Annahmen diese Verbindung nicht hauptsächlich in Geistesblitzen nach dem Aufwachen oder Eingebungen im Traum besteht. Gedanken und Ideen brauchen anscheinend Zeit um zu reifen. Dabei ist Schlaf sehr förderlich, aber der Beitrag im eigenen Leben nicht leicht auszumachen, wo ich ja nie weiß was passiert wäre wenn ich mehr oder weniger geschlafen hätte.
While traditional stories about sleep and creativity emphasize vivid dreams hastily transcribed upon waking, recent research highlights the importance of letting ideas marinate and percolate.
“Sleep makes a unique contribution,” explains Mark Jung-Beeman, a psychologist at Northwestern University who studies the neural bases of insight and creative cognition.
Some sort of incubation period, in which a person leaves an idea for a while, is crucial to creativity. During the incubation period, sleep may help the brain process a problem.
“When you think you’re not thinking about something, you probably are,” says Dr. Jung-Beeman, who has a doctorate in experimental psychology. […]
Dr. Ellenbogen’s research at Harvard indicates that if an incubation period includes sleep, people are 33 percent more likely to infer connections among distantly related ideas, and yet, as he puts it, these performance enhancements exist “completely beneath the radar screen.”
In other words, people are more creative after sleep, but they don’t know it.
Jetzt ist es natürlich schön, dass Unternehmen sich mehr um den Schlaf ihrer Mitarbeiter kümmern. Ich will mich hier auch gar nicht darüber beschweren, dass hier nicht das Wohlergehen der Mitarbeiter im Mittelpunkt steht, daran sind wir ja gewöhnt. Und es ist immer noch besser, das Richtige aus falschen Gründen zu tun als gar nicht. Ich frage mich mehr, ob der Weg, der da eingeschlagen wird, so zielführend ist. Es dreht sich viel um Power-Naps und um solche lustigen Liege-Eier:
Aber da sind wir wieder in einem Problem im Herzen des Kapitalismus: Weil man mit einfachen Ratschlägen nicht viel Geld verdienen kann, wird sich nicht leicht jemand finden, der mit dem Satz „Schlaft mehr“ durch die Unternehmen zieht. Der Markt hat eine Tendenz zu High-Tech-Lösungen. Das selbe Problem sieht man ganz massiv bei Lebensmitteln. Joghurt mit linksdrehenden Bakterien kann man teuer verkaufen und deshalb auch aufwändig bewerben. „So natürlich wie möglich“ gäbe es überall, und deshalb lohnt es sich für keine einzelne Firma, dafür einzutreten. Ein anderes Beispiel, das mich schon eine Weile beschäftigt, ist der Kontrast zwischen Psychotherapieforschung und Pharma-Forschung. Weil eine Therapiemethode sich nicht wirklich verkaufen lässt, hat kein privater Akteur Interesse daran. Das führt zu Forschungsbudgets in ganz unterschiedlichen Dimensionen.
Aber genug schwere Kost. Zum Abschluss noch eine lustige Anekdote mit Bezug zur Tagespolitik aus besagtem NYT-Artikel:
“Particularly in New York, where financial services play such a big role, people are consistently sleep-deprived and consistently in denial,” he says.
Mr. Chowdhury — who says the idea for EnergyPods came to him in a nap — recalls a seminar in which one banker responded to a survey question with a note saying she knew she had no fatigue-related problems at work because the only time she fell asleep was when she sat still. Mr. Chowdhury laughs a bit ruefully: “Maybe we could have avoided the crisis we are in now if these people had just gotten proper sleep.”