Tag-Archiv für » Zynismus «

Zwischen Biologie und Kultur

Sonntag, 10. Mai 2009 14:09

Ich habe mich in Gespräche mit anderen Psychologiestudenten schon öfter seltsam gefühlt, weil ich gegen das Neuropsycho-Fieber komplett immun zu sein scheine, das in unserer Disziplin ansonsten gerade grassiert. Ich finde neurobiologische Erkenntnisse grundsätzlich sehr interessant, aus einer philosopisch-grundlagenwissenschaftlichen Perspektive. Es geht ihnen meiner Meinung nach aber die praktische Relevanz großteils ab. Wobei diese Aussage an die ganz grundsätzliche Frage nach der relativen Bedeutung biologischer und kultureller Faktoren für unsere Existenz und unsere Eigenschaften rührt. In meiner Prüfungsliteratur für Kulturpsychologie fand ich dazu eine sehr schöne Ausführung, die aber natürlich nicht als neutrale Einschätzung zu lesen ist:

[…]

Thema: Deutsch | Kommentare deaktiviert | Autor:

Alkoholmissbrauch und Kultur

Donnerstag, 30. April 2009 11:53

Ich lese gerade in einem Artikel über die Prävalenz psychischer Störungen eine lustige, weil so nüchtern wissenschaftlich formulierte Erklärung dafür, warum amerikanische (und auch andere internationale) Studien höhere Raten von Alkoholmissbrauch fanden als diese deutsche Studie:

Yet, the low prevalence is surprising since alcohol consumption, according to the WHO world drink trends reports, is comparatively high in Germany. An explanation could be the fact that diagnostic criteria focus more on (culturally and socially determined) inadequacy of drinking behaviour than on absolute quantity of consumption. Therefore, as an example, it is easier to qualify for alcohol abuse in the USA where the consumption of 1.5 litres of beer is labelled as ‘binge drinking’ compared to wide parts of the German society, where this amount is consumed several times a week without further negative social consequences. In particular, young people are more likely to receive a diagnosis of alcohol abuse in the USA where drinking in public is illegal until the age of 21 (Germany: 16 years).

Die 12-Monats-Prävalenz beträgt übrigens auch in dieser Studie immer noch 4,1%, d.h. wenn man jeweils das letzte Jahr betrachtet hatten 4,1% der Deutschen die Diagnose Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit. Nicht eingerechnet die, für die es normal ist ein paar Mal die Woche anderthalb Liter Bier zu trinken …

Jacobi, F., Wittchen, H. U., Hölting, C., Höfler, M., Pfister, H., Müller, N., u. a. (2004). Prevalence, co-morbidity and correlates of mental disorders in the general population: results from the German Health Interview and Examination Survey (GHS). Psychological Medicine, 34(04), 597–611.

Thema: Deutsch | Kommentare deaktiviert | Autor:

Unmoralische Grenzwanderung

Montag, 10. November 2008 17:55

Das Thema Prostitution ist schon alleine schwierig genug. Als liberal denkender Mensch schwankt man leicht zwischen verschiedenen Gedanken und Gefühlen. Auf der einen Seite macht es Sinn, die Situation durch Legalisierung bzw. Entstigmatisierung zu verbessern. Auf der anderen Seite ist das ganze Phänomen irgendwie elend, und zwar für beide Seiten des Handels, und man wünscht sich andere Lösungen — für die Befriedigung des menschlichen Bedürfnisses nach Sexualität ebenso wie für den Lebensunterhalt. Noch komplizierter wird es, wenn gar nicht klar ist, wie sehr man dabei überhaupt für die Betroffenen sprechen kann (siehe unten).

Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung bzw. jetzt.de kämpfen Studentinnen in der Ukraine gegen den Sextourismus in ihrem Land und das Image als Bordell Europas. Da kommt dann noch ein Schuss Neo-Kolonialismus in die komplizierte moralische Lage. Und ein wenig Kapitalismuskritik, wenn die Prostitution nicht nur das Überleben sichert, sondern auch Luxusgüter finanziert. Oder ist das dann die freie Entscheidung einer jungen Frau und ein schönes Beispiel dafür, wie freier Handel das Wohlergehen aller steigert?

Unanständige Angebote

Für viele Touristen ist jede Ukrainerin eine Nutte“, sagt die 20-jährige Sascha. Die Studentin mit den blonden Haaren kennt das Gefühl, ständig angefasst und wie „ein Stück Fleisch“ angegafft zu werden. Im September ergab eine Umfrage unter 1 200 Studentinnen in Kiew, dass zwei Drittel von ihnen unanständige Angebote von Ausländern bekommen haben. Darüber hinaus gibt es zum Thema Sextourismus kaum offizielle Zahlen. Laut Innenministerium arbeiten 12.000 Prostituierte in der Ukraine – Anna hält die Zahl aber für untertrieben, weil ein großer Teil der Frauen nicht erfasst sei. „Es sind nicht nur Drogensüchtige und arme Frauen, die ihren Körper verkaufen, sondern auch Studentinnen“, sagt sie. Die Mieten in Kiew sind bisweilen doppelt so hoch wie in München und die Stipendien sind karg. Viele Mädchen, sagt sie, kämen mit 17 zum Studium in die Stadt und ließen sich vom Glitzer blenden: iPods gehören ebenso zum Standard wie Taschen von „Gucci“, auch wenn sie nicht echt sind. Viele, so Anna, prostituieren sich für ihr neues Leben.

Thema: Deutsch | Kommentare deaktiviert | Autor:

Zynismus (III) – Päng! Eine erste Definition

Samstag, 17. Mai 2008 14:04

Nachdem ich schon eine Weile immer wieder um das Thema Zynismus kreise wird es langsam reif zum ernten. Ich bin schon sehr gespannt, wohin sich meine Gedanken wenden, wenn die großen –ismen (Kapitalismus und Zynismus) erstmal versorgt sind. Ich meine damit natürlich nicht, dass ich sie in den nächsten Monaten komplett durchdrungen haben werde. Aber ich glaube, es zeichnet sich ein Punkt ab, wo sich Zwischenergebnisse formulieren lassen, die dann erstmal „alleine“ weiter reifen müssen.

Nachdem der Kapitalismus schon seinen ersten großen Beitrag erhalten hat folgt jetzt der Zynismus, vorbereitet war es ja schon.

Dieser erste „große“ Zynismusbeitrag ist noch nicht wirklich meine eigene Position, sondern eine Zusammenfassung dessen, was Slotderdijk über Zynismus schreibt. Angesichts des Umfangs von Slotderdijks Werk bin ich darauf aber doch schon ganz stolz, und bin gespannt auf Reaktionen von Lesern — inwiefern passt die Beschreibung zu eurem Erleben eurer Selbst und der Umwelt?

Entstanden ist die Zusammenfassung als Einleitung für eine kulturpsychologische Auseinandersetzung mit dem Thema im Kolloqium an der Uni. Die ganze Hausarbeit gibt es hoffentlich bald auch hier, je nach Fertigstellung und Absprache mit meinen Mitautorinnen.

Aber genug der Vorrede: Was ist Zynismus im Sinne Sloderdijks?

[…]

Thema: Deutsch | Kommentare deaktiviert | Autor:

Lohnkampf der Tomatenpflücker

Donnerstag, 27. Dezember 2007 17:04

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich im Rahmen von Action 5 mit Handelsbeziehungen der globalisierten Wirtschaft, dort am Beispiel der Textilindustrie.

Angriffspunkt für unsere Aktionen dazu in Freiburg sind Verbraucher und der lokale Einzelhandel. Die Hoffnung ist, dass eine veränderte Nachfrage dieser beiden Gruppen die Zustände in der Herstellung verbessern kann.

Ein aktueller Artikel aus der NYTimes ist deshalb in doppelter Hinsicht interessant: Er beschreibt den Verlauf einer ähnlichen Aktion im ganz großen Stil: Aktionen eines breiten Bündnisses gegen bzw. mit McDonalds, Burger King etc., um bessere Arbeitsbedingungen für Tomatenpflücker zu erreichen.

Darüber hinaus liest sich der Artikel als wundervoller Überblick der verschiedenen Positionen zu liberalen oder regulierten Arbeitsmärkten. Ich zitiere einige interessante Passagen, gewürzt mit meinen Gedanken:

[…]

Thema: Deutsch | Kommentare deaktiviert | Autor:

Zynismus (II) – Umschleichen. Devil’s Dictionary

Freitag, 14. September 2007 18:12

Noch zu Schulzeiten habe ich auf einem Bücherflohmarkt ein Buch mitgenommen, das mich belustigt und fasziniert hat: The Devil’s Dictionary von Ambrose Bierce, laut Wikipedia 1911 veröffentlicht. Die Sprache ist teilweise ziemlich anstrengend, aber wenn man sich mit einem Wörterbuch (einem „echten“, meine ich) bewaffnet und durchgekämpft hat, hat man einige schöne neue englische Wörter und Feinheiten der Sprache gelernt, eine böse, aber bemerkenswerte Perspektive auf zwischenmenschliche Vorgänge gewonnen, in der manches ans Licht kommt was hinter den Dingen steckt und vermutlich das eine oder andere Mal herzhaft gelacht.

Manche Definition würde für heutige Leser (zumindest mich;-) gar nicht als zynisch durchgehen, sondern einfach als eine prägnante Zuspitzung von allgemein anerkannten Tatsachen. Möglicherweise ist da aber auch Sloterdijks Popularisierung des Zynismus am Werk?

Es bleiben jedenfalls genügend Gedanken, die noch nicht vollständig im Alltagsdenken angekommen sind. Im Folgenden eine kleine Auswahl:

[…]

Thema: Deutsch | Kommentare deaktiviert | Autor:

Zynismus (I) – Herantasten. Menschenähnlichkeit von Tieren

Montag, 10. September 2007 19:01

Ich lese gerade die „Kritik der zynischen Vernunft“ von Peter Sloterdijk. Ich habe das Buch vielleicht schon drei Mal angefangen und wieder weggelegt, wegen Mangel an Zeit und weil ich mich beim Lesen wirklich konzentrieren muss, das ist keine Lektüre für die müden Abendstunden…

Ein sehr spannendes Buch, das meiner Meinung nach ein zentrales Phänomen unserer Zeit sehr gut einfängt und mit „Zynismus“ einen Begriff findet, der nicht hundertprozentig passt (dazu ist Sloterdijks Definition zu sehr vom alltagsgebrauch entfernt) aber doch ziemlich gut. Und oft ist ein Begriff ja nötig, um etwas überhaupt wahrnehmen zu können.

Zu dem Buch jedoch und meinen Gedanken dazu in einem späteren Eintrag mehr. Hier erst mal ein Alltagsbeispiel. Oft sind Meldungen aus der Tierrechtsszene recht schreierisch, und manchmal schäme ich mich für die undifferenzierten Formulierungen von Inhalten, die mir selbst wichtig sind. Aber das hier könnte ich so unterschreiben. Und das Fazit „zynisch“ passt sogar zu der erweiterten, philosophischen Definition.

morgen abend, 19h, macht arte in der reihe „tierisch intelligent“, in der immer die intelligenz und „menschenähnlichkeit “ verschiedner „tiere“ beschworen wird, sympathiewerbung für schweine als organspender!

was zynischeres kann man sich ja kaum vorstellen.

Thema: Deutsch | Kommentare deaktiviert | Autor: