Indien 4 — Tempeltourismus und Pooja in Tiruvannamalai

Das vorletzte Wochenende hielt ein schönes kleines Abenteuer für mich bereit. Mit einem sehr netten Amerikaner, der schon lange in Deutschland lebt und sich als der ideale Reisegefährte und Gesprächspartner herausstellte, bin ich mit dem Motorrad ins drei Stunden entfernte Tiruvannamalai gefahren, wo es einen berühmten Tempel und Kloster („Ashram“) und heiligen Berg mit diversen Höhlen, in denen sich ein wichtiger Guru aufgehalten hatte, zu bestaunen gibt.

Schon die Motorradfahrt war abwechslungsreich und ein bisschen abenteuerlich, und mein erster Ausflug ins „echte“ Indien. Ich glaube, die Straßen spiegeln ganz gut den Stand der Gesellschaft wider — von Fußgängern ohne Schuhe bis hin zu dicken Autos ist alles unterwegs, wobei der Schwerpunkt deutlich auf Mopeds und Motorrädern sowie unglaublich vielen und vollen Bussen liegt. Auch dass Tiere am Straßenrand ihr eigenes, unberührtes Leben führen (Kühe, Ziegen, Hunde, Affen) sagt etwas über das Miteinander in Indien, dieses sich in Ruhe lassen und sein eigenes Ding machen gibt es zwischen den Menschen glaube ich auch, und es hat etwas Schönes und Trauriges. Ein Stück weit erinnert mich das an die USA, aber dort gibt es doch einen relativ soliden und fürsorglichen Staat, auf dem das Ganze ruht.

Auf dem Hinweg haben wir uns etwas verfahren, bzw. der Plan auf einem kleinen Umweg zum Highway zu fahren resultierte in einem großen Umweg. Wir bekamen dafür einen Blick in den metaphorischen und konkreten Hinterhof und fanden dort z.B. diese Baustelle für einen neuen, riesigen Tempel in einem winzigen Dorf. Ja, Tempel sind wirklich wichtig hier…

Der Highway hat uns zunächst fast schockiert — nagelneu, vierspurig, kaum Verkehr. Aber das ging nur eine kurze Weile so, und war dann eher wie man es sich vorstellt. Der erste richtige Stop war Gingee, eine kleinere Stadt mit einer grandiosen Festungsanlage, die mal einen eigenen Ausflug verdient. Auf dem Bild ist nur einer der drei Hügel, die zur Anlage gehören.

Ebenfalls bewundernswert, wie die Affen aus der unwirtlichsten Umgebung einen Abenteuerspielplatz machen — und wie zärtlich ihr Familienleben ist.

Die geplante kurze Pause zum Mittagessen hat sich dann zu einem echten Höhepunkt entwickelt, dank der lebendigen und bunten Marktstraße, wo wir als Ausländer ein angenehmes Maß an Aufmerksamkeit erfuhren. Im großen und ganzen unbelästigt, waren die Leute an den Ständen zum Teil ganz wild darauf, dass wir Fotos von ihnen machen sollten, wie dieser Mann der stolz seine „Pala“ öffnet (Tamil für Jackfruit, ich weiß nicht wie das Ding auf deutsch heißt, aber es schmeckt köstlich).

Auch sonst sind die Fruchtstände natürlich ein Paradies. Die Erdnüsse, die mich sehr angelacht haben, waren leider roh, ergaben dann zurück in Auroville aber ein gutes improvisiertes Abendessen als Erdnuss-Bananen-Curry mit Reis und Kokosmilch. Und während wir sie gekauft haben, hat uns eine andere Kundin eine ganze Reihe Köstlichkeiten aus ihren Tüten probieren lassen, wenn ich mich nur erinnern könnte, wie das alles hieß!

Wenn der Verkehr es erlaubte, den Blick mal in die Ferne schweifen zu lassen, gab es zum Teil grandiose Szenerien zu bewundern.

Den Rest des Tages haben wir damit verbracht, den Tempel mit seinen bunten Besuchern und (vermutlich) Bewohnern zu erkunden und uns einem „Pooja“ zu unterziehen, einer rituellen Reinigung, wo eine riesige Menge Menschen mit Opfergaben anreist, teilweise aus großer Ferne.

Wir haben uns mit einem sehr netten jungen Inder angefreundet, der selbst 13 Stunden mit dem Nachtzug unterwegs war und am selben Abend wieder abreisen würde. Die langen Schlangen ließen reichlich Zeit, sich über Götter und die Welt zu unterhalten, Familiengründungspläne (der Student, ungefähr mein Alter, „natürlich“ ohne Freundin und zu Hause bei der Mutter, für die er einen Teil der heiligen Asche vom Ritual in eine kleine Tupperdose abgezweigt hat) und Anzahl der besichtigten Tempel. Welten begegnen sich, und so waren wir nicht ernsthaft versucht, die Wartezeit durch Zahlung von 20 Rupees (ca. 30 Cent) zu verkürzen und die Überholspur zum Segen zu nehmen. Als wir an die Reihe kamen, und der Priester die Kokosnüsse unseres Freundes auf einem speziellen Tisch aufschlug, durften wir auch unsere Namen sagen und haben nachher ein Stück vom frischen Fleisch bekommen, ich war richtig gerührt. Im folgenden Bild sind wir mit dem jungen Mann und einem anderen selbsternannten Tempelguide, mit dem die Sprachbarriere größer war, der uns aber mit gleicher Ernsthaftigkeit durch heilige Rituale und zu den besten Fotoplätzen manövriert hat. Um Geld ging es übrigens keinem der Beiden, im Gegensatz zu manchem Anderen, der uns später seine Dienste angeboten hat.

Im Abendlicht sah auch der heilige Berg schon sehr einladend aus, und stand für den nächsten Tag auf dem Programm.

Vorher haben wir auf der Suche nach einem Guesthouse dieses Hotel entdeckt, das wir eigentlich zu protzig fanden, aber wir waren so weit gelaufen, und der Rezeptionist hat sich während wir zögerten selbst auf den halben Preis heruntergehandelt, so dass wir schließlich eine Suite mit Küche und Wohnzimmer bezogen haben, für umgerechnet 16 Euro (zusammen). Hier noch eine Überraschung des „Nachtlebens“.

Sonst war, wie es sich für eine Stadt gehört, in der Kloster die touristische Hauptanziehung sind, ziemlich tote Hose, aber wir waren auch müde und hatten gute Unterhaltung in uns selbst. Am nächsten Tag vom Berg aus dann endlich die imposante Vogelperspektive auf den Tempel.

Und als passendes Komplement zu den Menschenströmen unten waren die verschiedenen Höhlen am Berg, die jeweils heiligen Menschen und Gurus Unterkunft gewesen waren, Orte der tiefen Versenkung, die Anwesenden etwa zur Hälfte Westler und Inder. Von denen, die hier nach Erleuchtung suchen, kann man übrigens manches Abfällige über fehlende Tiefe und Ernst in Auroville hören… Wobei die Höhlen hier auch nicht mehr so ungastlich sind wie sie (hoffentlich!) mal waren.

Wieder gut betreut von einem jungen Mann, der sich seine Rupees ehrlich verdient hat, haben wir eine spezielle Zeremonie außerhalb der normalen Öffnungszeit genossen, und mit heiliger Erlaubnis Bilder von der heiligen Höhle gemacht. Und von unserem Gefährten und dem Zeremoniemeister.

Auch wenn das alles sehr fremd für mich ist, mag ich die Mischung aus religiösem Ernst und praktischer Leichtigkeit, mit der die Inder ihre Zeremonien und heiligen Orte benutzen. Und ich mag die Art sehr gerne, wie sie mit uns umgingen — neugierig und hilfsbereit, aber nicht aufdringlich, und in für mich angemessenem Maße finanziell motiviert. Zum Abschluss noch ein Bild von unserem Ross.

Tags »

Autor:
Datum: Donnerstag, 17. März 2011 12:34
Trackback: Trackback-URL Themengebiet: Weltreise 2011

Feed zum Beitrag: RSS 2.0 Kommentare und Pings geschlossen.

2 Kommentare

  1. 1

    amazing!

  2. 2

    Hallo Christoph,
    dein Bericht und die Bilder erinnern mich so sehr an meinen Indienaufenthalt vor zwei Jahren und die Bilder könnten von mir stammen (der Mann mit der Jackfruit ist entweder derselbe, den ich damals fotografiert habe, oder sie haben eine starke Ähnlichkeit :-)). Ich liebe Jackfruit, und nun beginnt ja auch bald die Mangoseason, mhmh.
    Irgendwie war das echt eine ganz intensive Zeit, und so ganz anders wie hier in Cali– in Bezug auf den Wohlstand und den Lebensstandard.…
    Vannakam,
    Best und liebe Grüße 
    Christina