Tücken der direkten Demokratie
Nachdem ich mich gerade in diesem sonnigen Staat aufhalte, fand ich einen NYTimes-Artikel, der über ein Mitglied des obersten (kalifornischen) Gerichtshof berichtet, der sich kritisch zu den hier weit verbreiteten Referenden äußert. In Kalifornien können viele Gesetze und Verfassungsänderungen nicht ohne eine direkte Abstimmung in Kraft treten, die in einer langen Liste zusammen mit den Wahlen für Parlament etc. durchgeführt werden. Das schließt z.B. auch verpflichtende Abstimmungen über Steuererhöhungen ein … Einen Überblick geben die 2008 zur Wahl stehenden „Propositions“, besonders interessant 2 (Tierschutz) und 8 (Homo-Ehe), und dort auch die ausführliche Argumentation.
Mir hatte das System eigentlich ziemlich imponiert. Es scheint ökonomisch, und es scheint die Wähler sehr direkt an wichtigen Entscheidungen zu beteiligen. Einige Zeit vor den Wahlen werden staatlich aufbereitete Info-Hefte ausgeteilt, in denen die Alternativen neutral gegenübergestellt und ihre finanziellen Auswirkungen auf die Staatskasse prognostiziert werden (vgl. die Verweise oben). Natürlich nehmen sich wenige Leute die Zeit, das alles gründlich zu studieren, und verlassen sich bei ihrem Urteil darauf, welche Partei, Interessen– oder religiöse Gruppe dem jeweiligen Vorschlag zustimmen oder nicht. Und damit beginnt schon die Kritik:
He added: “Much of this constitutional and statutory structure has been brought about not by legislative fact-gathering and deliberation, but rather by the approval of voter initiative measures, often funded by special interests. These interests are allowed under the law to pay a bounty to signature-gatherers for each signer. Frequent amendments — coupled with the implicit threat of more in the future — have rendered our state government dysfunctional, at least in times of severe economic decline.”
Wobei die Hauptkritik sich auf das finanzielle Funktionieren des Staates bezieht:
Justice George said that perhaps the “most consequential” impact of the referendum process is that it limits “how elected officials may raise and spend revenue.” He added, “California’s lawmakers, and the state itself, have been placed in a fiscal straitjacket by a steep two-thirds-vote requirement — imposed at the ballot box — for raising taxes.”
Die Ergebnisse der oben angesprochenen Abstimmungen lassen mich mit einem gespaltenen Gefühl zurück:
Citing a successful ballot initiative that same Election Day that regulated the confinement of fowl in coops, Justice George said, “Chickens gained valuable rights in California on the same day that gay men and lesbians lost them.”
Was machen wir also nun am besten mit Volksabstimmungen? Was können wir von Kalifornien lernen?