Evolution, Moral, Altruismus

Zeitgenössische amerikanische Forscher haben viel Interesse an den biologischen und moralischen Wurzeln von selbstlosem, altruistischem, moralischem und fairem Verhalten. Für mich ist diese Forschung einerseits etwas erheiternd, weil unsere Möglichkeit, zu gegenseitigem Nutzen in Gemeinschaften zusammenzuleben, im alltäglichen Leben auseichend demonstriert scheint.

Dennoch bleibt ein doppeltes Interesse bestehen: Zum einen ein philosphisches an besserem Verständnis unserer historisch-evolutionären Wurzeln. Und (wichtiger) als Argument gegen Marktideologen, die sich ja oft genug darauf berufen, dass Menschen nun mal nicht anders könnten als an ihren eigenen Nutzen denken, und deshalb ein System, in dem der Eigennutz zentral ist, die einzige realistische Möglichkeit sei.

In der NYTimes wird jetzt Forschung dargestellt, die sich mit moralischer Heuchelei beschäftigt. Darunter versteht man das Phänomen, Verhalten von anderen an anderen Standards zu messen als das eigene, sich also Handlungen zum eigenen Vorteil zu erlauben, die man an anderen verurteilen würde.

Dieser Effekt ist sehr stark, und zwar sowohl in Bezug auf sich selbst als auch auf Zugehöriger der eigenen Gruppe, selbst in Minimalgruppendesigns (wenn „Gruppe“ also z.B. nur heißt „trägt ein Armband der selben Farbe).

Und man stellt sich die Frage, über welche Mechanismen das funktioniert. Vor allem, ob es sich um eine emotional verankertes oder kognitives Verhalten handelt. Das Ergebnis vorweg: Das „richtige“ Gefühl für Fairness, das also keinen Unterschied macht, ob ich selbst oder jemand anderes sich unfair bevorteilt, scheint das tiefere zu sein, das ohne geistige Anstrengung auftritt. Schön, nicht?

Und passt gut zu meiner Überzeugung, dass die rationale Einschätzung unserer heutigen Lebensweise (und meiner Meinung nach auch eine rational richtige) uns dazu bringt, teilweise gegen unseren Willen und unsere Empfindungen unsozial zu handeln. Es herrscht das verbreitete Gefühl, andere würden skrupellos handeln und man bliebe auf der Strecke, wenn man es selbst nicht auch tut. Und so steigen wir unter kognitiver Anstrengung über unsere prosozialen Instinkte hinweg und machen uns gegenseitig das Leben schwer. Blöd, nicht?

“The question here,” Dr. DeSteno said, “is whether we’re designed at heart to be fair or selfish.”

To find out, he and Dr. Valdesolo brought more people into the lab and watched them selfishly assign themselves the easy task. Then, at the start of the subsequent questioning, some of these people were asked to memorize a list of numbers and retain it in their heads as they answered questions about the experiment and their actions.

That little bit of extra mental exertion was enough to eliminate hypocrisy. These people judged their own actions just as harshly as others did. Their brains were apparently too busy to rationalize their selfishness, so they fell back on their intuitive feelings about fairness.

“Hypocrisy is driven by mental processes over which we have volitional control,” said Dr. Valdesolo, a psychologist at Amherst College. “Our gut seems to be equally sensitive to our own and others’ transgressions, suggesting that we just need to find ways to better translate our moral feelings into moral actions.”

Findings — Deep Down, We Can’t Fool Even Ourselves — NYTimes.com

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Datum: Dienstag, 1. Juli 2008 18:04
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