Zynismus (III) – Päng! Eine erste Definition

Nachdem ich schon eine Weile immer wieder um das Thema Zynismus kreise wird es langsam reif zum ernten. Ich bin schon sehr gespannt, wohin sich meine Gedanken wenden, wenn die großen –ismen (Kapitalismus und Zynismus) erstmal versorgt sind. Ich meine damit natürlich nicht, dass ich sie in den nächsten Monaten komplett durchdrungen haben werde. Aber ich glaube, es zeichnet sich ein Punkt ab, wo sich Zwischenergebnisse formulieren lassen, die dann erstmal „alleine“ weiter reifen müssen.

Nachdem der Kapitalismus schon seinen ersten großen Beitrag erhalten hat folgt jetzt der Zynismus, vorbereitet war es ja schon.

Dieser erste „große“ Zynismusbeitrag ist noch nicht wirklich meine eigene Position, sondern eine Zusammenfassung dessen, was Slotderdijk über Zynismus schreibt. Angesichts des Umfangs von Slotderdijks Werk bin ich darauf aber doch schon ganz stolz, und bin gespannt auf Reaktionen von Lesern — inwiefern passt die Beschreibung zu eurem Erleben eurer Selbst und der Umwelt?

Entstanden ist die Zusammenfassung als Einleitung für eine kulturpsychologische Auseinandersetzung mit dem Thema im Kolloqium an der Uni. Die ganze Hausarbeit gibt es hoffentlich bald auch hier, je nach Fertigstellung und Absprache mit meinen Mitautorinnen.

Aber genug der Vorrede: Was ist Zynismus im Sinne Sloderdijks?

Die Fragestellung unseres Projektes wurde von einer philosophischen Analyse der zeitgenössischen Gesellschaft angeregt. Peter Sloterdijk beschreibt in seinem Werk „Kritik der Zynischen Vernunft“ (1983) den Zynismus als zentrales Phänomen unserer Gesellschaft. Dabei ist Zynismus weniger im verbreiteten Sinn als scharfsinnig-böse Äußerung zu verstehen, sondern als eine Art, die Welt, vor allem die soziale Welt, zu erleben und sich in ihr zu verhalten.

Sloterdijks Ansatz ist (wie schon der Titel vermuten lässt) ein kritischer, er geht von einem Unbehagen in der Kultur aus, das „die moderne Welt durchtränkt sieht von kulturellen Wahnwitzigkeiten, falschen Hoffnungen und deren Enttäuschung, vom Fortschritt des Verrückten und vom Stillstand der Vernunft“ (S. 399). Diese Beschreibung hat sicherlich ihr Recht in einer Generation, die nach den starken emanzipatorischen Bewegungen der 60er und 70er Jahre und nach der radikalen Friedensbewegung die Überzeugung gewonnen hat, dass die großen Visionen ins Leere gelaufen sind, dass einfache, visionäre, radikale Lösungen zu nichts Gutem führen. Die Welt wird als komplizierter wahrgenommen, oft so kompliziert dass keine Perspektiven übrig bleiben, keine Lösungswege gangbar erscheinen.

Der moderne Mensch ist sich laut Sloterdijk dieser Verhältnisse bewusst, leidet an ihnen, sieht sich ihnen jedoch ausgeliefert. Deshalb ist sein Bewusstsein „krank an dem Zwang, vorgefundene Verhältnisse, an denen es zweifelt, hinzunehmen, sich mit ihnen einzurichten und am Ende gar deren Geschäfte zu besorgen“ (S. 40).

In diesem Zitat wird neben der wahrgenommenen Notwendigkeit, Verhältnisse hinzunehmen, die als unangenehm und fragwürdig erlebt werden, noch ein zweites Element des Zynismus deutlich: Der Zyniker fügt sich schließlich in die Verhältnisse und trägt in seinem Verhalten selbst zu deren Erhaltung bei. Diese Anpassung wird von Selbsterhaltungstrieben motiviert. Man will keine Nachteile erleiden, vor allem im Vergleich zu Anderen. Diese stehen in der Wahrnehmung des Zynikers jederzeit bereit, die fragwürdigen Handlungen an seiner Stelle auszuführen: „Andere würden es ohnehin tun, vielleicht Schlechtere“ (S. 37). Gleichzeitigkeit hat die Arbeit, das Tun, einen zentralen Wert für den Zyniker: „Ja, hierauf kommt es beim modernen Zynismus wesentlich an: auf die Arbeitsfähigkeit seiner Träger – trotz allem, nach allem, erst recht“ (S. 37).

Das Mitmachen bleibt für den Zyniker allerdings eine leidvolle Angelegenheit, er leidet an der „Trauer um das bessere Wissen, gegen das alles Handeln und Arbeiten gerichtet ist“ (S. 37). Das grundsätzliche, negative Urteil über die Zustände, zu denen der Zyniker beiträgt, bleibt bestehen und auch mindestens teilweise bewusst.

Zynismus im Sinne Sloterdijks lässt sich also psychologisch zusammenfassen als ein Zweifeln und Leiden an gesellschaftlichen Zuständen, ein wahrgenommenes Unvermögen diese Zustände zu ändern, und letztlich aktive Mitarbeit an deren Erhaltung.

Laut Sloterdijk ist dieses „Handeln wider besseres Wissen […] das globale Überbauverhältnis heute“ (S. 38), also ein verbreitetes Phänomen, das alle Menschen einer Gesellschaft betrifft.

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Datum: Samstag, 17. Mai 2008 14:04
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