Konstruktion der Partnerschaft

Ich lese immer wieder mit Genuss die Kolumne zu den „großen Fragen der Liebe“ im ZEIT-Magazin (vermischt mit anderen Artikel zum Thema findet sich eine Übersicht in der Rubrik Partnerschaft auf Zeit Online). Der Autor ist eine alter Paartherapeut aus München, der mich sehr beeindruckt. Ich spüre eine Menge Mitgefühl und Liebe zum Menschsein an sich in seiner Art zu schreiben. Und viel Respekt für die eigenen Perspektiven, in denen Menschen sich ihre Wirklichkeit erschaffen, womit dieses Post eine Art Vorgeschmack für eine Beschäftigung mit dem Konstruktivismus ist, den ich hier auch bald mitteilen will.

Die aktuelle Ausgabe bietet unter der Überschrift „Wie lange soll er um die Ehe kämpfen?“ dafür ein sehr gutes Beispiel:

Die Frage: Richard und Sonja wirkten auf Freunde wie ein glückliches Ehepaar. Die Kinder aus dem Gröbsten heraus, und Sonja hatte begonnen, wieder freiberuflich zu arbeiten. Richard hatte gedacht, alles sei gut. Es traf ihn aus heiterem Himmel, als ihm Sonja sagte, sie ziehe aus, es sei vorbei. Nach dem ersten Schock ließ er seine Ehe Revue passieren und musste sich eingestehen: Ja, sie hatten sich zuletzt etwas verloren. Es gab kaum noch gemeinsame Interessen und Abende. Gespräche waren auf die nötigen Absprachen reduziert. Diese Einsicht brachte ihm schmerzlich zu Bewusstsein, dass er sie immer noch liebt. Er sagte es ihr und bestürmte sie, der Ehe eine Chance zu geben. Sie erwiderte, dass sie ihn nicht mehr liebe. Er hat nun beschlossen, nicht mehr um sie zu kämpfen. Sollte er es nicht besser tun, wenn er die Ehe retten will?

Wolfgang Schmidbauer antwortet: Wenn die Kinder selbstständig werden, muss sich ein Paar neu orientieren. Plötzlich kommen Konflikte an die Oberfläche. Eine Trennung ist dann besonders schmerzlich, weil in der Sorge für Kinder auch ein Versprechen der Sorge für den Partner mitschwingt. Positiv finde ich, dass Richard die Defizite erkannt hat. Leider kann er nicht mehr tun, als Sonja zu sagen, dass er sie noch liebt. Partnerschaft beruht auf einer Entscheidung, die eine komplexe Masse von Gefühlen in einer bestimmten Richtung ordnet. Sie beruht nicht nur auf einem Gefühl. Liebe kommt und geht und kann wiederkommen. Richard darf öfter nachfragen, ob sich an Sonjas Entscheidung etwas geändert hat, bis er seinen Verlust akzeptieren kann. Respektvolle Beharrlichkeit ist eher angebracht als selbstmitleidige Resignation.

Besonders beeindruckt mich, wie er Partnerschaft beschreibt: Als eine „Entscheidung, die eine komplexe Masse von Gefühlen in einer bestimmten Richtung ordnet.“ Das leugnet weder die Existenz noch die Bedeutung von Gefühlen. Aber trotzdem kommt es darauf an, was wir daraus machen. Und das heißt auch: Wie wir es selbst in unserer Wahrnehmung ordnen.

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Datum: Freitag, 8. Mai 2009 13:51
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