Beiträge vom August, 2008

Fahrradausflug zum Pazifik

Sonntag, 31. August 2008 8:30

Heute war ein verdammt schöner Samstag, ich muss eigentlich sagen: ein perfekter Tag. Mit einer ziemlich großen Gruppe Magic-Leute sind wir zum Pazifik geradelt. Hin und zurück ungefähr 100 Kilometer, zwei Mal ca. 3 Stunden, mit einem schönen Hügel dazwischen.

Ich muss zunächst die Ergebnisse der Erziehungsphilosophie hier bewundern: Die zwei achtjährigen Mädels machen die Strecke ohne Probleme, der kleinere Junge hat eine Art Tandem-Anhänger oder so, mit eigenen Pedalen, an einen Erwachsenen angehängt. Auch die „Alten“ sind alle sehr sportlich und flott unterwegs.

Die Strecke ist einfach wundervoll, durch verschiedenste Landschaften, von dichtem Redwoodwald bis hin zu kargem gelbem Ödland. Die Sonne scheint natürlich unerbittlich, aber es weht ein wohltuend kühler Wind vom Ozean her, und wir haben zum Glück lange Schattenstrecken auf dem Weg.

Hier sind ein paar Bilder von einer anderen Radtour, die ich vor ein paar Wochen alleine gemacht hatte, die selbe Strecke, aber nur bis zum Gipfel der Hügelkette und ein Stück dort den „Skyline Boulevard“ entlang, der diesen Namen wirklich verdient. Dort habe ich auch eine Straße namens „Clouds Rest“ entdeckt, wie romantisch, und so passend!

Erstaunlich, wie das Grüne sich im Kampf ums Überleben in der trockenen Umgebung behauptet!

Ein großer Teil der Strecke führt an den normalen Autostraßen entlang, aber ich bin immer wieder überrascht davon, wie wenig schlimm das hier ist. Die Luft ist sowieso immer frisch und toll, und genug Platz ist auch da auf der Straße. Mehr Spaß macht es natürlich trotzdem, kleine Sträßchen wie die „Old La Honda“ zu nehmen:

Das Radeln selbst ist in der guten Luft, die die meiste Zeit angenehm nach Zeder oder so riecht, eine richtige Wohltat, besonders im Kontrast zu dem lange Bürositzen, das mir inhaltlich immer noch unglaublich viel Spaß macht, aber von der Tätigkeit selbst her doch manchmal etwas Quälendes hat.

Und dann ist es auch schön, ein bisschen Zeit zum Gespräch zu haben. Von Jeff, dem vierten der alten Bewohner, mit dem ich bisher noch nicht viel gesprochen hatte, erfahre ich spannende Dinge aus der Community-Vergangenheit. Das Ganze ist wohl schon mal als „echte“ Kommune gestartet, in der man „Alles“ teilen wollte. Und „Alles“ bezieht sich dann auf die Dinge, die die Menschheit am meisten bewegen: Geld und Frauen. Ich sollte natürlich „Partner“, oder „Liebe“ oder „Sex“ oder so schreiben, aber in dem Fall war es am Anfang wohl eine Frau mit vier Männern. Unschwer auszumalen, dass das so gut nicht funktioniert hat. Ein bisschen erschrecke ich, ein ziemlich bitter klingendes „Christoph, let me tell you something: It’s not the nice men that get the women“ zu hören. Nachdem ich das in der Mittelstufe noch irgendwie ähnlich wahrgenommen hatte ist mein Erfahrung zum Glück mittlerweile doch eine Andere. Es sei denn, ich bin nicht (mehr) so nett wie ich glaube… :-)

Ein bisschen getrübt davon, dass eine gewisse Bitterkeit doch übrig geblieben scheint bei meinem netten Gesprächspartner, bin ich insgesamt doch beeindruckt davon, dass hier schon viel experimentiert wurde, und aus den Erfahrungen dann auch Schlüsse gezogen wurden. Es ist was dran am wissenschaftlichen Ansatz ;-)

Ein lustiges Erlebnis auf dem Weg ist ein „General Store“ mitten in der Wildnis. Der Besitzer scheint sehr liberal denkend, offen und politisch ausgesprochen demokratisch gesinnt zu sein. Der Laden verkauft wirklich so ziemlich alles, und ist außerdem Kneipe, Café, Ballsaal, … Eine lustige Liveband spielt Countrymusik, und die Postkarten im Laden sind nicht unähnlich denen im „Anarchist Bookshop“ in der Hippie-Straße Height Street in San Francisco, obwohl die Besucher überwiegend ältere Leute und das heftigste Klischee von Motorradfahrern sind. Die bevölkern die schöne Straße zur Küste nämlich auch zu Hauf mit den exotischsten und leider lautesten Gefährten, die man sich vorstellen kann.

Der Ozean selbst ist ein wahnsinniges Erlebnis, richtig kalter Wind, große Wellen, toller Strand mit Felsklippen im Rücken. Ich hoffe, bald Bilder nachliefern zu kommen, habe selber keine gemacht. Und er ist schon ganz schön kalt (das macht der Kalifornien-Strom, der leider noch keinen deutschen Wikipedia-Eintrag hat. Jo, wie wär’s?), aber nicht so kalt wie ich dachte, nachdem darum schon immer ganz schön Aufhebens gemacht wird. Es ist jedenfalls definitiv möglich, reinzuspringen und eine Weile in den Wellen zu tollen.

Alles in allem eine wohlverdiente Müdigkeit, der ich mich jetzt hingebe und ins Bett falle — bzw. springe, den ganz wie zu Hause ist das Bett hier ja eher oben…

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Internet und Freiheit

Sonntag, 31. August 2008 7:21

Das Internet ist ja im wesentlichen ein zentraler Teil der großen Konsummaschine geworden. Mir macht es aber in und wieder ein angenehmes Kribbeln, wenn ich lese, dass es immer noch Teil verschiedener emanzipatorischer Bewegungen sein kann. Unter Umständen sind die dann sogar mit Geschäftsinteressen verbunden, wie im Fall der Emanzipation von dem zunehmend paranoider werdenden US-Staatsapparat. Immer mehr Länder und Unternehmen versuchen anscheinend zu vermeiden, dass ihr Internetverkehr über die USA läuft, wo die Sicherheitsdienste mindestens seit dem Patriot Act alles mithören:

Indeed, Internet industry executives and government officials have acknowledged that Internet traffic passing through the switching equipment of companies based in the United States has proved a distinct advantage for American intelligence agencies. In December 2005, The New York Times reported that the National Security Agency had established a program with the cooperation of American telecommunications firms that included the interception of foreign Internet communications.

Some Internet technologists and privacy advocates say those actions and other government policies may be hastening the shift in Canadian and European traffic away from the United States.

“Since passage of the Patriot Act, many companies based outside of the United States have been reluctant to store client information in the U.S.,” said Marc Rotenberg, executive director of the Electronic Privacy Information Center in Washington. “There is an ongoing concern that U.S. intelligence agencies will gather this information without legal process. There is particular sensitivity about access to financial information as well as communications and Internet traffic that goes through U.S. switches.”

Internet Traffic Begins to Bypass the U.S. — NYTimes.com

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Die schöne englische Sprache

Sonntag, 31. August 2008 7:14

Ich nutze meinen Aufenthalt hier in Stanford natürlich für angeregten Austausch nicht nur in englisch, sondern auch über die englische Sprache selbst. Gerade der Professor, mit dem ich zusammenarbeite, ist dafür ein toller Gesprächspartner. Es ist überraschend, wie sehr eigentlich jeder englisch sprechende Mensch seine eigene Sprache hat, mit einem ganz eigenen Wortschatz. Man muss nicht sehr abgefahren unterwegs sein, um Wörter zu verwenden die andere nicht kennen — passiert mir sogar manchmal (und dann rede ich verwirrt mit jemand anderem, der mir versichert dass das kompletter Standard ist…).

Gerade bin ich auf eine Seite aufmerksam gemacht worden, die viele der sprachlichen Verwirrungen, in denen sich englische Muttersprachler befinden, aufgreift. Und auch für Zweitsprachler spannend ist: Common Errors in English.

Mich freuen immer besonders die Sachen, wo französische Wörter in die englische Sprache aufgenommen wurden. Vielleicht weil ich die Aussprache dort schon so lustig finde. Im wesentlichen handelt sich sich da aber um Spitzfindigkeiten zwischen Snobs und Ignoranten.

Lebensnäher sind da schon solche Fragen: loan or borrow?

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Donnerstag: Bäumegießen

Freitag, 29. August 2008 7:26

Ich liege gerade müde im Bett, wie jeden der letzten Donnersage. Das liegt am Bäumegießen, einer der Aktivitäten meiner „Community“, EcoMagic (anscheinend hat der Projektname übrigens eine ähnliche Geschichte wie der des Theaterprojekts Hall — jemand musste einfach schnell was sagen…).

Neben einer Art großen WG (oder einer Art undogmatischen Kommune oder was immer) ist „Magic“ nämlich eine Non-Profit-Organisation, die hauptsächlich zwei Arbeitsfelder hat. Das eine ist pädagogisch, und wird im Wesentlichen durch Kurse in Stanford und Gespräche beim Abendessen vorangetrieben. Es geht darum, die Idee der „ValueScience“ zu verbreiten. Gemeint ist, mittels Wissenschaft Fragen zu beantworten, die klassisch in den Bereich Werte und Ethik fallen. Ich persönlich würde eher „wissenschaftliches Denken“ sagen, aber hier besteht man darauf, auch das Wort Wissenschaft selbst aus dem zu engen akademischen Bedeutungsraum zu befreien. Die Grundidee ist, dass Werte im wesentlichen Vorhersagen darstellen, darüber was man haben möchte (bzw. was einen glücklich machen wird) und darüber, wie man das bekommen kann. Und Wissenschaft, so geht die Argumentation weiter, sei die einzige Methode die die Menschheit bisher entdeckt habe, um besser als zufällige Vorhersagen zu machen. In dem breiten Verständnis von Wissenschaft macht das durchaus Sinn, besonders für die Frage „wie kann ich das bekommen“. Wobei ich den Ansatz trotzdem ein bisschen naiv-rationalistisch finde. Und gleichzeitig den Eindruck habe, dass hier viele Dinge wie von ganz „normalen“ Alternativen aus sehr emotionalen Motiven heraus gemacht werden.

Das andere Arbeitsfeld könnte man im Wesentlichen als Anwendung dessen bezeichnen, was die Menschen hier durch ihre ValueScience als für sie bedeutsame Werte entdeckt haben. Und ein Teil davon ist ein Projekt, ein großes und sehr trockenes Hügelareal, das der Stanford Uni gehört, wieder zu begrünen. Dazu werden Eichen gepflanzt, die hier anscheinend sogar heimisch sind oder waren. Und die müssen dann zwei Jahre lang wöchentlich gegossen werden. Was bedeutet, mit einer Gruppe Freiwilliger loszuziehen und in großen Eimern Wasser vom Truck zu den kleinen Bäumen zu schleppen, weil die in der Wildnis des Naturschutzgebietes verteilt sind.

Für mich persönlich ist das zunächst mal eine schöne Gelegenheit, mich an der frischen Luft zu betätigen und mit netten Leuten zu plaudern. Wie sinnvoll diese Sache ist kann ich offen gestanden nicht wirklich einschätzen, und wie erwähnt bin ich nicht so ganz sicher, ob das wissenschaftliche Denken wirklich so weit geht, die Effekte dieser Aktion gründlich durchgerechnet zu haben. Ein weiterer wichtiger Grund, da mitzumachen, ist ebenfalls ganz pragmatisch: Es gehört zum Verständnis von Wechselseitigkeit, das hier gelebt wird. Die Miet-Bewohner hier dürfen alle Sachen im Haus benutzen und umsonst essen (dazu gibt es wirklich bald noch einen eigenen Beitrag!). Es wird erwartet, sich in Proportion dazu, wie intensiv man davon Gebrauch macht, im Gemeinschaftsleben und in Projekten einzubringen. Und weil ich sehr glücklich bin, hier jeden Abend ein veganes Bioessen gekocht zu bekommen versuche ich, bei solchen Sachen dabei zu sein.

Und abgesehen von dem allem ist es einfach wundervoll, unter solch einem Abendhimmel draußen zu sein:

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Bootie — meine erste Nacht in San Francisco

Donnerstag, 21. August 2008 7:38

Eine gute Woche ist jetzt mein erster Ausflug nach San Francisco her. Mit drei der anderen jungen Bewohner hier war schon die Dreiviertelstunde im Auto sehr unterhaltsam. Und dann ging es auf ins wilde Leben. Die Initiatorin des Ausflugs hatte eine gute Wahl getroffen: Wir waren beim fünfjährigen Jubiläum von Bootie. Es geht um Mashup, Bastard Pop und Bootleg. Auf deutsch: verschiedene bekannte Poplieder werden zusammengemischt, in wilden Kombinationen. Hat den Vorteil, dass man die Lieder kennt und trotzdem nicht so leicht gelangweilt ist. Die zwei DJs, die auf der Bühne performt haben, anscheinend trotz wildem Auftreten ein verheiratetes Paar, waren jedenfalls verdammt gut. Darum herum eine Tanzshow, die durchaus unterhaltend war. Sehr transvestitenlastig, und nicht immer appetitlich. Aber von Organisatorenseite durchaus rund. Hier eines der schöneren Bilder:

Das Publikum war gemischt und lustig. San Francisco macht seinem Ruf als Homo-Hauptstadt alle Ehre, als erstes springen einem viele süße Jungs ins Auge. Daneben – denkbar kontrastreich – fielen mir eine Reihe amerikanischer Pärchen wie aus dem Bilderbuch auf: Er groß mit kurzen Haaren, sportlich, hat vermutlich ein Football-Stipendium an irgend einer tollen Universität, im Blick etwas Starres, irgendwo zwischen Jäger und Soldat. Bewegt sich wenig. Daneben eine deutlich kleinere blondgelockte Schnitte, die ihn unermüdlich sexy hüftschwingend antanzt und zwischendurch knutscht. Und um das Ganze eine Art unsichtbare Barriere, die beiden isoliert von der Umgebung. Darum herum verschiedene Grüppchen, so wie wir, aus unterschiedlichen Szenen. Vielfältig, aber durchweg ziemlich hip angezogen. Ich hatte auch das erste Mal das Vergnügen, einen der Typen, die vermutlich immer die Super Size Menüs bei McDonalds essen, tanzen zu sehen. Offen gestanden schon ein wenig abstoßend, vor allem weil er mit seinem Fett-Sein und seinen „Brüsten“ ziemlich offensiv umging. Aber insgesamt trotzdem eine angenehme Ausstrahlung von Lebensfreude, und eine Gelegenheit mehr, meine Voreingenommenheiten zu überdenken.

Wir sind halbwegs früh nach Hause, hatten ja auch nochmal eine lange Fahrt vor uns. Trotzdem ein ziemlich perfekter Samstag Abend. Und ein Einstieg ins Nachtleben, das ich letzten Samstag um noch eine ganz andere Facette erweitern sollte… Aber dazu später ;-)

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Ecomagic — Leben in der Community

Freitag, 15. August 2008 7:31

Ich bin noch nicht mal zwei Wochen hier in 381 Oxford Ave, Sonntag vor zwei Wochen bin ich eingezogen, und es fühlt sich schon viel länger an. Naja, alles hier fühlt sich gerade viel länger an als es ist, und ich fühle mich auch eigentlich jeden Abend als hätte ich eine ganze Arbeitswoche hinter mir. Dennoch ist das „ich-bin-schon-lange-hier“-Gefühl in der „Community“ noch mehr. Ich fühle mich mittlerweile richtig zu Hause hier. Die oben schon verlinkte Karte auf Google markiert mein Haus, und zeigt links davon den riesigen Stanford-Campus, ganz unten rechts in auffälliger Form das VA Hospital, wo ich zum Arbeiten in strammen 20 Minuten hinradle, und links unten das Gelände um den „dish hill“, wo wir regelmäßig Bäume gießen – dazu später mehr. Die folgenden Bilder zeigen mich in meinem kleinen (wirklich kleinen!) Zimmer, am ersten Abend stolz vor dem eingeräumten Schrank und im kühlen Licht des ersten Morgens, noch sehr müde. Zwischen Spiegel und Bett ist ziemlich genau eine Bettlänge mal Türbreite schöner alter Parkettboden, haarscharf genug für den Yoga-Morgengruß, und das war’s.

Die Zusammensetzung der WG ist sehr interessant. Da sind zum einen die vier „Alten“, zwei Männer und zwei Frauen, denen die Sache gehört, die das zur Community gehörige Projekt EcoMagic leiten und ein gewisses Hippie-Kommunen-Gefühl ausstrahlen. Da wird z.B. die Türe offen gelassen wenn man aufs Klo geht. Außerdem sind da die drei Kinder, Zwillingsmädchen von 9 und ein Junge von 4 Jahren. Ich weiß zwar mittlerweile, dass die eine Frau die Mädels und die andere den Jungen zur Welt gebracht hat (mich hatte schon vor der Abreise ins Schmunzeln gebracht, dass auf der Homepage bei beiden Frauen „ist eine Mutter für“ in Bezug auf alle Kinder stand). Aber wie sonst die Elternschaft verteilt ist, ist undurchsichtig.

Die Kinder entsprechen ziemlich dem Klischee der antiautoritären Erziehung, sind unglaublich quirlig und neugierig, und machen grundsätzlich erstmal was sie wollen. Ich musste mich erst daran gewöhnen, bei Gelegenheit klar und deutlich nein zu sagen. Aber das klappt dann auch ziemlich gut, und es ist allgemein ein sehr großer Respekt vor dem privaten Zimmer da. Das ist auch echt wichtig bei der Menge Leuten, die hier eng aufeinander wohnen.

Neben dieser Kerngruppe sind da nämlich noch ungefähr zehn Leute, die zwischen vier Jahren und einem Monat hier sind. Das sind großteils Stanford-Studenten oder Doktoranden, aber einige gehen auch einer „echten“ Arbeit nach. Alle sind natürlich irgendwie verrückt und besonders, sind entweder sehr ökologisch oder sehr alternativ oder sehr extravertiert, und dadurch für das Leben in der Community qualifiziert. Auf jeden Fall ist jeden Abend jemand zum Plaudern da, ein sehr wertvolles Gefühl, nachdem ich doch überwiegend alleine vor dem Computer sitze tagsüber.

Das Plaudern ist auch immer interessant und anregend, aber bleibt im Moment doch Plaudern. Und das ist auch ein Punkt, wo mir wieder bewusst wird, was eine so eingeschworene WG wie meine zu Hause wert ist. Wo sich einfach jedes Zimmer so vertraut anfühlt wie mein eigenes. Wo ein Gespräch direkt mit Dingen anfangen kann, die einen ganz tief beschäftigen. Und dazu ein Land, wo die richtige Antwort auf die Frage „how are you?“ nicht ist: „How are YOU?!“ (Tatsache, man hält sich hier oft nicht mehr damit auf, das obligatorische „fine“ überhaupt auszusprechen, und auf die Gegenfrage erwartet man überhaupt keine Antwort). Wobei sogar das hier in der Community ein bisschen anders ist.

Naja, genug in schönen Erinnerungen geschwelgt. Es wäre noch viel zu erzählen, von der interessanten Organisation des Alltags und besonders der Mahlzeiten hier, von der Arbeit mit der Community, von meiner ersten coolen Party in San Francisco, auf die ich mit einigen jungen Leuten von hier gefahren bin. Aber ich muss schlafen, und habe die durchschnittliche Internet-Lesespanne wohl ohnehin schon ziemlich strapaziert. Deshalb lasse ich ein letztes Bild mehr als tausend Worte über die idyllische Umgebung sagen. Das ist in der Sofaecke auf der Terrasse vor dem Haus. Oh, über das dicke rote Buch, das ich da in der Hand habe, werde ich auch noch mehr schreiben, das ist eines der unterhaltendsten, spannendsten Bücher in Jahren! To be continued …

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Die Arbeit – erste Woche

Dienstag, 12. August 2008 7:51

Eine Arbeitswoche liegt jetzt hinter mir, ein guter Zeitpunkt für eine erstes Résumé. Obwohl Tom Roth ein Professor an der Stanford Medical School ist hat er Büros und Labore im „VA Hospital“, so die landläufige Abkürzung des „Veterans Affairs Palo Alto Health Care System“. Das Gelände mutet ziemlich militärisch an, es gibt eine eigene Polizei auf dem Gelände, und andere Praktikanten haben schon gewaltig Ärger bekommen, weil sie Fotos gemacht haben… Trotzdem ein Schnappschuss aus meinem Fenster, der einen ganz guten Eindruck von der Wüstenstimmung gibt, die da herrscht:

Das Militärische und Veteran-Sein nehmen auch sonst einen großen Raum ein. Interessant ist z.B. ein großes Bronzekunstwerk vor dem Haupteingang, das einen Adler darstellt, der mit einer Schlange ringt, mit einem Schriftzug darunter, ein Zitat von Abraham Lincoln voller Pathos: „To care for him who shall have borne the battle and for his widow, and his orphan.“

Veteranen sind im Übrigen wirklich kein schöner Anblick, und ich bin fast froh, dass mein Visum keinen Patientenkontakt erlaubt. Und staune und kann es nicht recht fassen, wie man mit diesem Gesicht des Krieges berufsmäßig konfrontiert sein kann, und trotzdem Krieg richtig finden. Naja, wahrscheinlich erklärt die gute alte Dissonanztheorie das alles: Eine Sache, für die man so große Opfer gebracht hat, kann man unmöglich falsch finden.

Ich bin jedenfalls ganz froh, dass der schlimmste Aspekt meiner Arbeit ist, Nachmittags den Rolladen schließen zu müssen, um nicht im Büro gegrillt zu werden. Wobei das nicht wenig schlimm ist, wenn die Sonne draußen so lacht und man drinnen in Neonröhrenlicht neben einer brummenden Klimaanlage sitzt. Vormittags versuche ich so lange wie möglich das Tageslicht reinzulassen:

Und ich sollte mich echt bemühen, früher in der Arbeit zu sein, und dann Nachmittags an die Sonne zu gehen statt sie abzuschirmen.

Die Arbeit selbst war in der ersten Woche sehr abwechslungsreich und lehrreich. Ein bisschen Literaturrecherche sowohl zu inhaltlichen Dingen als auch methodisch, worüber ich dann gleich eine kleine Präsentation im „lab meeting“ zu halten hatte. Und dann ging es ans MATLAB-Programmieren. Ein bisschen wie ein angestaubter Verwandter von R, das sich mittlerweile zu meiner Lieblings-Statistiksoftware entwickelt hat. Naja, viel Konkurrenz gibt es ja nicht.

Jedenfalls lerne ich die Sache sehr fix. Und gerate in zwei innere Konflikte. Erstens schwanke ich hin und her zwischen einer sehr kindlichen, reinen Freude an den abstrakten Spielereien und Gedankenwindungen, die da nötig und möglich sind einerseits, und dem Bewusstsein dass das alles irgendwie leer ist, ein Spiel eben, und dass alles was ich nach einem anstrengenden Arbeitstag produziert habe ein paar andersrum gedrehte Magnete auf einer Festplatte sind. Zweitens hat Tom heute die ersten Bücher aus dem Zimmer der Doktorandin zu mir gebracht, mit Aufgaben die eigentlich sie machen sollte. Und sie scherzt, dass ich sie bald ersetze. Was natürlich Quatsch ist, aber eben auch nicht nur Spaß. Und ich befürchte, dass ziemlich bald der Punkt kommt, wo meine Freude, die Sache gut zu machen, mit Loyalität gegenüber einer freundlichen Helferin, und möglicherweise einem guten Arbeitsklima, in Konflikt gerät.

Naja, ich warte mal ab, und bin gespannt auf die weiteren Dinge. Ein bisschen handwerkliches Geschick wird wohl bald von mir verlangt werden, wenn Geräte für eine neue Studie modifiziert werden sollen, wozu man löten muss. Ansonsten werde ich wohl immer tiefer in die Datenberge graben. Ob ich vielleicht tatsächlich noch dazu komme, selber ein Paper über die Sachen zu schreiben, die da zu Tage gefördert werden?

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Foothill Lane

Dienstag, 12. August 2008 6:40

Hier ein kleiner Rückblick über meine ersten Tage, zu Gast bei Prof. Tom Roth und seiner Familie in einer wunderschönen, wenn auch (oder gerade weil) etwas abgelegenen Gegend, wie der Straßenname verheißt am Fuße eines Hügels (hier zur Orientierung eine Karte des Wegs von der Wohnung zur Arbeit). Wie Tom mit einem gewissen Sarkasmus anmerkt handelt es sich um ein ziemlich nobles Viertel, die Häuser groß und weit auseinander, viele dicke Autos. Aber anscheinend ethnisch trotzdem durchmischt, die Zeiten in denen in Amerika nur Weiße richtig reich waren sind wohl vorbei. Vor allem Asiaten holen auf.

Was die Bewohner des Hauses angeht bedeutet „Familie“ Tom selbst, seine sehr fürsorgliche und freundliche Frau und eine Doktorandin aus Dresden, die dauerhaft dort untergekommen ist. Sie hat mich auch vom Flughafen abgeholt und seither kräftig unterstützt, beim Einleben genauso wie mit Bürokratie und bei der Arbeit.

Der erste Abend, noch etwas Jetlag-benommen, war gleich ein bunter Familienabend mit dem Sohn der Roths und dessen Frau und Kindern. Sehr schön fand ich eine Familientradition, dass alle in aufsteigender Altersreihe ihre „news“ erzählen. Das hat sich dann in ein ziemlich fachliches Gespräch mit Tom und seinem Sohn entwickelt, der ebenfalls Psychologe ist.

Leider habe ich wenig Bilder aus dieser Zeit, aber mein erstes Erwachen war so schön, dass ich es gleich festgehalten habe: Irgendwann schien mir herrliche kalifornische Sonne ins Gesicht, und es zeigte sich dass sie mich wirklich ganz gezielt aufgesucht hat:

Der Blick vom Bett in die entegengesetzte Ecke zeigt mein Reisegepäck, erst in meiner „richtigen“ Wohnung ganz ausgepackt, vor einer der vielen imposanten Bücherwände im Haus. Sie sind gefüllt mit interessanten Sachen, ich wüsste gerne wie viel davon er tatsächlich gelesen hat.

So stellt man sich die Wohnung eines älteren Professors vor, und auch seine Gewohnheiten und Interessen passen perfekt ins Bild. Es wird regelmäßig Tageschau geschaut (ja, auf deutsch), außerdem norwegische Nachrichten. Das sind nur die meistgepflegten von mehreren Fremdsprachen, die Tom wohl beherrscht. Seine Begeisterung für Sprachen kommt mir sehr zu gute, von Anfang an korrigiert er Fehler in Grammatik und Aussprache und ist auch immer für ein „warum ist das so“ offen, das natürlich leicht ins Philosophische führt.

Die ersten Tage flogen ansonsten mit allerlei organisatorischen Zeug förmlich vorbei. Ohne Auto oder Fahrrad bekam ich die Weite des Landes besonders zu spüren. Weil ich aber zum Glück nicht wirklich Eile hatte konnte ich es durchaus genießen, wie hier mal eine Stunde auf den Bus zu warten:

Ich war wirklich wehmütig, als ich am Sonntag (vor gut einer Woche also) aus dem gemütlichen Haus ausgezogen bin. Zu angenehm und lehrreich war das Zusammenleben mit Tom und Familie gewesen. Und meine „community“ hatte sich auf den ersten Besuchen als sehr bunt, durchaus ins chaotische neigend, präsentiert. Zum Glück stellte sich heraus, dass der Kontakt mit Tom auch auf der Arbeit sehr persönlich und informell ist, und dass die WG durchaus auch zur Ruhe kommen kann. Und außerdem viel überschaubarer ist, wenn man sich ein paar Namen gemerkt hat.

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China — Internetzensur zum Anschauen

Samstag, 9. August 2008 7:24

Ein nur mäßiger interessanter NYTimes-Artikel über gesperrte Wörter in E-Mail-Adressen verschiedener Freemail-Anbieter birgt einen hochinteressanten Hinweis: Wenn man von der englischen und chinesischen Google-Seite aus nach Bildern zu „tiananmen“ sucht (Bezieht sich auf den „Platz des Himmlischen Friedens“ bzw. das Massaker von 1989 dort) findet man eine unglaubliche Abweichung: google.cn vs. google.com.

Macht das abstrakte Thema Internet-Zensur sehr anschaulich, finde ich. Und bringt mich schon ins Grübeln, über die Situation in China genauso wie über die Frage, ob westliche Firmen da wirklich so fleißig mitmachen müssen. Wie war das noch mit Corporate Social Responsibility und so?

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Erste Eindrücke aus Kalifornien

Freitag, 8. August 2008 9:26

Hiermit beginne ich meine Erlebnisberichte aus Kalifornien und aus meinem Praktikum an der Stanford University Medical School bzw. dem Veteran Affairs Hospital, wo mein Büro ist und woher die Patienten rekrutiert werden. Wobei ich mit denen keinen Kontakt haben darf (außer ihnen zufällig im Flur zu begegnen), aus visatechnischen Gründen.

Womit wir gleich beim ersten Thema wären: Die US-amerikanische Verwaltung und Bürokratie. Wie ich schon mehrfach vorgewarnt worden war ist selbige unvergleichlich umständlicher als in Deutschland — was man vielleicht nicht leicht glaubt, wenn man die deutsche Bürokratie kennt, aber es ist wahr. Auch nach mehreren Tagen intensiven Einsatzes habe ich nur einen kleinen Teil der VA-Hospital-internen Verwaltungsakte hinter mir. Außerdem warte ich noch auf meine Social Security Number, ein magisches Ding, das mich erst wirklich ins amerikanische Leben rufen wird, bis dahin bin ich nur ein Schatten meiner selbst, an wichtigen Stellen des Alltags ohne Substanz… Die Behörde, die diese Nummer ausstellt, will das jedenfalls nicht vor dem offiziellen Beginn meines Praktikums machen, obwohl die Bearbeitung wiederum mindestens zwei Wochen dauert, und ich die Nummer für die Verwaltung hier im Haus dringend brauche würde. Immerhin liegen die Kopien meiner Unterlagen jetzt bei der Behörde und warten dort auf den Stichtag, und ich muss nicht nochmal hin.

Ansonsten fällt mir an den USA (oder besser: Kalifornien, eigentlich bis jetzt nur San Francisco aus dem Auto betrachtet und Palo Alto) als erstes etwas auf, was ich kaum erwartet hätte: Alles ist riesig. Ich fühle mich regelmäßig ziemlich verloren: im Supermarkt, auf der Straße, …

Und es ist einfach wahnsinnig viel – und sehr schöne – Natur da. Was zusammen mit der Größe für mich sogar das Fahren von den bescheuerten riesigen Autos nachvollziehbar macht, die hier wirklich zu Hauf unterwegs sind. Denn die Luft riecht toll, obwohl da lauter Spritfresser und Abgasschleudern fahren. Die Straßen sind einfach relativ leer, ich kann mit dem Fahrrad recht frei selbst auf Hauptverkehrsstraßen fahren, auf die ich mich in Deutschland nie wagen würde. Und die Straßen sind unglaublich breit und groß, selbst kleinere Straßen. Ein Kleinwagen kommt einem da vor wie Kinderspielzeug.

Naja, soviel mal zu den (um einige Tage verspäteten) allerersten Eindrücken. Details zu Arbeit, Wohnen, Leben, Einkaufen etc. werden folgen. Und bald hoffentlich auch Bilder.

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