Bipolare Störung bei Kindern – Pharma mal wieder

Laut einem spannenden NY-Times-Artikel hat sich die Anzahl der mit der Bipolaren Störung (der veraltete Name „Manisch-Depressive Störung“ sagt mehr über die Symptome, noch mehr sagt Wikipedia) diagnostizierten Kinder und Jugendliche zwischen 1994 und 2003 vervierzigfacht! Danach ging der Anstieg allem Anschein nach weiter.

Man könnte sich natürlich freuen, dass mehr psychisch kranke Kinder endlich die Behandlung bekommen, die sie brauchen. Aber bei den Zahlen… Man könnte auch sagen:

Other experts say bipolar disorder is overdiagnosed. The term, the critics say, has become a catchall applied to almost any explosive, aggressive child.

NYTimes 4.9.2007 — Bipolar Illness Soars as a Diagnosis for the Young (Selbe Quelle auch für die folgenden Zitate)

Jedenfalls ist unklar, ob die Medikamente bei Jugendlichen ähnlich wirken wie bei Erwachsenen, und welche Nebenwirkungen sie haben. Getestet sind sie nicht. Klar ist, dass die Entwicklung die Pharmafirmen freut. Die Medikamente für Bipolare Störung sind ziemliche Hämmer, und kosten etwa 3–5 mal so viel wie Medikamente für „normale Störungen“ wie Depression oder Angst.

Ich erspare euch die genauen Medikamente, die am häufigsten dabei sind. Die meisten können mit den Namen nichts anfangen, und die anderen wird das kalte Grauen packen. In dem Artikel stehen sie.

Jedenfalls noch drei Anmerkungen:

Die Diagnose ist unsicher, und es ist unwahrscheinlich dass ein Kind, das die Störung diagnostiziert bekommt, sie auch als Erwachsener bekommt. Das ist ein bisschen seltsam, weil die Bipolare Störung eine starke genetische Komponente hat. Noch seltsamer ist, dass die Kinder später eher depressiv werden, was eine starke soziale Komponente in der Enstehung hat.

“From a developmental point of view,” Dr. March said, “we simply don’t know how accurately we can diagnose bipolar disorder or whether those diagnosed at age 5 or 6 or 7 will grow up to be adults with the illness. The label may or may not reflect reality.”

Most children who qualify for the diagnosis do not proceed to develop the classic features of adult bipolar disorder like mania, researchers have found. They are far more likely to become depressed.

Ungefähr die Hälfte der Kinder hat noch eine andere Diagnose, in der Mehrzahl ADS. Da treffen sich dann zwei unklare, „catch-all“-Diagnosen für „schwierige“ Kinder. Deshalb ein kleines Zitat und Fazit:

“These are kids that have rage, anger, bubbling emotions that are just intolerable for them,” Dr. Pavuluri said, “and it is good that this is finally being recognized as part of a single disorder.”

Vielleicht wäre es auch ganz gut, nach einem Grund für diese Gefühle zu suchen?

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Datum: Freitag, 7. September 2007 12:43
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