Was Tiere fühlen

Immer noch am Lesen der alten ZEIT (hihi) bin ich gerade an einem Veganismus– und Tierschutz-relevanten Artikel. Den reißerischen Titel in der ZEIT, „Der Schmerz der Schweine“ setze ich nur hierher um meine veganismus-gesättigten Leser nicht zu vergraulen;-)

Im Kontext einer öffentlichen Diskussion über die Kastration von Zuchtschweinen finden sich folgende interessante Erkenntnisse:

Immer noch sind im deutschen Tierschutzgesetz zahlreiche Eingriffe an Tieren ohne Betäubung zulässig, etwa Kastrationen nicht nur bei Schweinen sondern auch von Rindern, Schafen, Ziegen, das Kürzen von Schwänzen, Abschleifen von Zähnen und die Amputation eines Zehengliedes bei Küken. Schlimm, dass unsere Gesellschaft eine Tierhaltung von einer Intensität zu brauchen glaubt, in der solche Eingriffe nicht nur nötig sind, sondern auch noch so billig sein müssen, dass sie ohne Betäubung stattfinden müssen.

Die Zeit zitiert den Biologen und Spezialisten für Tierschutz und Ethologie mit den weisen Worten: „… unsere Tierschutzethik ist eben eine utilitaristische Ethik, bei der abgewogen wird zwischen der Qual für das Tier und dem Nutzen für den Menschen“ (Der Schmerz der Schweine, ZEIT Nr. 34, 16.8.2007). Das klingt natürlich hart, aber der Utilitarismus an sich ist eine philosophische Strömung, die man meiner Meinung nach besonders für die politische Praxis nicht einfach als herzlos abtun sollte. Denn im Wesentlichen passiert in der Politik genau das, die Abwägung von Interessen. Schlimm finde ich hier, dass offensichtlich der Nutzen für den Menschen mit einem unglaublich viel höheren Gewicht in die Berechnung eingeht als die Qual der Tiere. In diesem Sinne kann man sagen, dass auch der Name „Tierschutzgesetz“ zu einem guten Teil Augenwischerei ist — gerade in diesem Gesetz wiegen die Vorteile bei der Tiernutzung sehr schwer gegenüber dem Schutz der Tiere, was die vielen Ausnahmen (siehe oben) belegen.

Ins philosophische gerät die Diskussion bei der Frage, was Tiere denn nun wirklich fühlen, und in welchem Alter. Die Ausnahmen gelten nämlich oft nur für junge Tiere, denen man damit die Empfinungsfähigkeit abspricht. Freuen kann man sich nun über die Tatsache, dass erstens den älteren Tieren indirekt Empfindungsfähigkeit zugesprochen wird. Und außerdem daran, dass dieser Irrtum auf einer Analogie zum Menschen beruht, wie die Tierärztin Susanne Zöls von der LMU München erklärt: „In der Humanmedizin gab es lange die Auffassung, dass schmerzverarbeitende Srukturen bei Säuglingen noch nicht so gut ausgebildet sind. Dieser mittlerweile veraltete Gedanke wurde für die Tiermedizin übernommen und beibehalen. Deshalb hält man es immer noch für gerechtfertigt, junge Tiere einem solchen Eingriff bei vollem Bewusstsein auszusetzen.“ (ebenda). Diese Annahme hat sie selbst in Studien mit Schweinen widerlegt, eine tierexperimentelle Forschung über deren ethische Vertretbarkeit zu urteilen dem Tierschützer natürlich nicht leicht fällt.

Andere Länder finden übrigens verschiedene Lösungen für dieses Dilemma. In Norwegen ist betäubungslose Kastration seit 2002, die Kastration an sich ab 2009 verboten. In Großbritannien praktiziert man „Kurzmast“ und isst die Eber einfach schon vor der Pubertät…

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Datum: Donnerstag, 30. August 2007 0:13
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