Virtuelle Welten: Unbegrenztes Experimentieren

Ich bin ja immer noch auf der Suche nach einer Psychologie, die helfen könnte, Politik und Ökonomie sinnvoll (und das heißt hier ungefähr: zum Menschen passend) zu gestalten. Das ist aber so schwer zu erforschen, dass sich die meisten Wissenschafter da nicht rantrauen — man will/muss ja zügig publizieren.

Ein bisschen bequemer wird es, wenn man das ganze virtuell macht. Deshalb finde ich folgende Entwicklung sehr spannend:

Unbegrenztes Experimentieren

Steuern erhöhen oder neue Gesetze implementieren? In Zukunft wird alles erst mal virtuell getestet werden, sagt US-Professorin Noveck. Ein Interview, geführt auf der Jahrestagung der Amerikanischen Wissenschaftsvereinigung

Beth Noveck ist Professorin am Institute for Information Law und Policy der New York Law School und Organisatorin der Cyberspace-Konferenz „State of Play“, die im Sommer zum vierten Mal in Singapur stattfindet. Auf der Jahrestagung der Amerikanischen Wissenschaftsvereinigung (AAAS) in San Francisco sprach sie darüber, wie virtuelle Welten die Forschung bereichern können.

ZEIT online: Wie können virtuelle Welten in der Forschung helfen?
Noveck: Natürlich können die Forscher selbst in sie eintauchen und dort neue Formen der Zusammenarbeit entwickeln. Zudem eröffnen sie neue Möglichkeiten, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Bisher publizieren Forscher ihre Ergebnisse ja vor allem in Textform, künftig werden sie sie visualisieren. Nehmen Sie zum Beispiel eine Studie zum Klimawandel: Anhand von 3D-Szenarien könnten Forscher zeigen, wie unser Planet künftig aussehen wird, und so die Folgen der Erderwärmung direkt erlebbar machen. Auf diese Weise erreichen sie ein Publikum, das sich sonst nicht mit wissenschaftlichen Studien beschäftigt.

ZEIT online: Und was können Forscher von virtuellen Welten lernen?
Noveck: Das hängt natürlich von der Fachrichtung ab. Für Sozialwissenschaftler sind die Welten ein riesiges Labor. Sie können beispielsweise ausprobieren, wie staatliche Institutionen aufgebaut sein müssen, damit sie bestimmte Aufgaben erfüllen. Wir haben in Second Life die virtuelle Insel „Democracy Island“ erschaffen. Dort testen wir, was man tun muss, um Bürger stärker an Gesetzgebungsprozessen zu beteiligen. Denken Sie nur an all die Politikbereiche, in denen Partizipation erforderlich ist, sich aber nur ein kleiner Teil der Bevölkerung einbringt. In virtuellen Welten können wir lernen, unter welchen Bedingungen Menschen aktiver werden.

ZEIT online: Wieso lässt sich das dort besser erforschen als in der Wirklichkeit?
Noveck: Wir können dort jederzeit die Regeln ändern. Das kann man in der Wirklichkeit natürlich nur selten. Und wenn, dann braucht man viel Zeit und muss Widerstände überwinden. In virtuellen Ökonomien können wir dagegen zum Beispiel problemlos erforschen, was passiert, wenn man eine neue Währung einführt, Steuern erhöht oder neue Gesetze erlässt. Im Moment gibt es zudem jede Menge Experimente mit Urheberrechten. Wir haben weltweit typischerweise die gleichen Grundregeln, nach denen diese Rechte funktionieren: Wenn ich ein Bild male, dann darf nur ich bestimmen, was damit passiert. Ein anderer darf es ohne meine Zustimmung nicht für seine Zwecke nutzten. Ist das gut oder schlecht? Was würde es für die kollektive Kreativität bedeuten, wenn ich dieses Recht ändere oder streiche? Würden die Leute mehr oder weniger Bilder malen? Wir werden das ausprobieren und nützliche Hinweise für die Wirklichkeit sammeln.

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Datum: Samstag, 3. März 2007 0:03
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