Die Wissenschaft und das liebe Geld

Dass die Förderung des Wissens unserer Gesellschaft ein hohes Gut ist, diese Überzeugung teilen wohl die meisten von uns. Wie man das genau anstellen sollte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Einige halten es für sinnvoll, die Wissenschaft als einen freien Markt zu organisieren. Ich nicht, und hier ist ein kleines Beispiel dafür, warum ich so denke.

Die Ergebnisse der Forschung können offenbar extrem davon abhängen, wer sie bezahlt hat. So kamen in Bezug auf die Gesundheitsrisiken von Bisphenol A, einem Stoff aus Lebensmittelverpackungen, 90% der mit öffentlichen Mitteln finanzierten Studien zu bedenklichen Ergebnissen, während dies bei keiner Studie mit Geldern der betroffenen Industrie der Fall war…

Eine aktuelle Studie beschreibt, dass BPA die Entwicklung von Mäuseembryonen stört (1). Besondere Aufmerksamkeit erregten Untersuchungen, die Einflüsse von BPA auf die Gehirnentwicklung von Ratten fanden (2). Auch sollen Tiere, deren Mütter vor der Geburt BPA ausgesetzt waren, Verhaltensänderungen zeigen (3).

Andere Forscher konnten solche Befunde nicht bestätigen: So kamen Wissenschaftler des Harvard Center for Risk Analysis in Boston in einer zusammenfassenden Bewertung zu dem Schluss, es gebe nur sehr schwache Anhaltspunkte dafür, dass niedrige BPA-Konzentrationen die Entwicklung stören (4).

Auch Wissenschaftler des Research Triangle Institute (RTI) in North Carolina fanden keine negativen Effekte bei Laborratten, die bis zu fünf Milligramm BPA pro Kilogramm Körpergewicht am Tag schluckten. Oberhalb dieser Grenze kam es zu Leberschäden (5).

Diese Entwarnungen haben allerdings einen Schönheitsfehler: Sie stammen nicht aus unabhängigen Quellen. So wurde die Bewertung des Harvard Center for Risk Analysis vom American Plastics Council bezahlt, einem Interessenverband von Kunststoffherstellern.

Die Studie des RTI wurde finanziert von der US-amerikanischen Society of the Plastics Industry. Verfasser waren neben den RTI-Wissenschaftlern auch Mitarbeiter großer Chemiefirmen wie Dow Chemical, Bayer und Shell.

Dass die Finanzquelle Einfluss auf das Ergebnis hat, zeigte der Toxikologe Frederick vom Saal von der University of Missouri. Er nahm 130 wissenschaftliche Arbeiten unter die Lupe, die sich bis zum Juli 2005 mit den möglichen Wirkungen niedriger BPA-Konzentrationen befasst hatten.

In 109 davon wurden Schäden durch die Chemikalie beschrieben. Alle diese Untersuchungen waren aus öffentlichen Mitteln finanziert worden.

Nur zehn der öffentlich geförderten Arbeiten fanden keine nachteiligen Wirkungen. Weitere elf Studien waren von Chemieunternehmen gesponsert. In keiner dieser Studien wurden negative Effekte von BPA entdeckt.

Mehr als 90 Prozent der industrieunabhängigen Untersuchungen weisen also auf Gesundheitsrisiken durch BPA hin, alle industriegeförderten Forscher kamen zum gegenteiligen Ergebnis (5).

Bisphenol A Hormone im Babyfläschchen — Gesundheit — sueddeutsche.de

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Datum: Dienstag, 13. Februar 2007 2:03
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